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Zur Eröffnung der in Berlin gezeigten Ausstellung(1) hat die Tagespresse ausführlich berichtet, über die zahlreichen, oft großartigen Funde aus Herculaneum, der kleinen Nachbarstadt von Pompeji, geredet und das Szenario des Vesuvausbruches von 79 n. Chr. wieder lebendig gemacht. Darum ist hier nicht der Platz, Ähnliches zu wiederholen. Ebenso wenig sollen Exzerpte aus dem ausführlichen Katalog, der auch das Nachleben des Unglücks einschließt, referiert werden.
Hier wird ein Versuch unternommen, den Blick auf die Villa dei Papiri und ihre Besitzer zu lenken. Wenn man vor den spektakulären Funden der Ausstellung steht, sollte man wissen, wie heftig sich sogar unsere Schulautoren mit den Ausmaßen dieses Anwesens, seiner luxuriösen Ausstattung, seinem reichen Erbauer und seiner ganzen Sippe auseinandergesetzt haben. Dem Wahrheitsgehalt der Vorwürfe kann man in der Ausstellung gut nachspüren, besser als unter der bis zu 30 m hohen Schicht aus Schlamm und Bimsstein in Herculaneum selbst, besser auch als vor den Fundmengen in Neapels Museum und im weit entfernten Kalifornien. Man ist heute anhand der Funde überzeugt, den Erbauer der Villa zu kennen.
Viele, die das Bellum Gallicum des C. Iulius Caesar lasen, haben sich an der überheblichen Offenheit gestört, mit welcher der Prokonsul den Überfall auf die Tiguriner, eos impeditos et inopinantes (Gall.1,12), referierte, um sich anschließend als verlängerter und strafender Arm der unsterblichen Götter darzustellen. Alle kennen seine nachgereichte Begründung für den gemeinen Hinterhalt gegen die mit der Überfahrt über den Arar (Saône) beschäftigten Helvetier, mit denen er sich wohlgemerkt nicht im Kriegszustand befand: Er habe nicht nur öffentliches Unrecht gegen das römische Volk, nämlich die Niederlage des Konsuls L. Cassius von 107(2) gerächt, sondern auch privates. Damals sei der Legat L. Piso(3), der Großvater seines Schwiegervaters, in demselben Gefecht gegen die Tiguriner gefallen. Dieser, wie Caesar eingesteht, rein zufällige Zusammenhang mit dem Überfall erlaubte ihm, seine weit zurückreichende Geschichtskenntnis und sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber der res publica herauszustellen. Zudem bot sich ihm eine willkommene Gelegenheit, eine politisch-militärische Ehrerbietung an den im Jahr 58 amtierenden Konsul L. Calpurnius Piso Caesoninus auszusprechen, dessen Tochter Calpurnia er in seinem Konsulatsjahr 59 in dritter Ehe geheiratet hatte.
Wenn im Jahr 53 Pompeius dem Wunsch Caesars nach einer vierten Ehe mit seiner Tochter nachgegeben hätte, wäre Piso für gerade fünf Jahre Schwiegervater gewesen. Aber nach Pompeius‘ Widerstand gegen dieses erneute, politische Ehekalkül blieb Piso der Schwiegervater und Calpurnia die offizielle, aber kinderlose Ehefrau Caesars, während dieser schließlich der stolze Vater des Ptolemaios Caesarion von der ägyptischen Königin Kleopatra wurde.
L. Calpurnius Piso Caesoninus hatte allen Grund, seinem Schwiegersohn für mannigfache Hilfe und Schutz dankbar zu sein. Er stammte aus einem alten plebejischen Geschlecht und durchlief ordnungsgemäß den cursus honorum, war um 70 Quaestor, 64 Aedil und 61 Praetor. Als Propraetor erhielt er eine Provinz, in der er skrupellos solche Erpressungen vornahm, dass er auf die lauten Klagen der Geschädigten hin angeklagt wurde. Ihn zog P. Clodius vor Gericht, obwohl er selbst im Jahr 64 als Propraetor im jenseitigen Gallien Gelder erpresst und unterschlagen hatte. Deswegen war Clodius 61 angeklagt, aber von gekauften Richtern freigesprochen worden, wogegen Cicero beredt, aber vergeblich im Senat protestiert hatte. Auch Piso kam ohne Strafe davon. Es heißt, er habe sich durch Selbsterniedrigung vor dem Tribunal das Mitleid der Richter erschlichen und so den Kopf aus der Schlinge gezogen, protegiert vom consul designatus für das Jahr 59, C. Iulius Caesar. Dieser ließ daraufhin seinem freigesprochenen Schwiegervater Piso zur Krönung von dessen Ämterlaufbahn zusammen mit A. Gabinius für das Jahr 58 auch das Konsulat zukommen.
Um nun mit Clodius, der inzwischen im Dezember 57 in den Plebejerstand adoptiert und für das Jahr 58 zum Volkstribunen gewählt war, einen Ausgleich zu erlangen, lenkte und deckte Piso und duldete Gabinius dessen Attacken gegen einen Dritten. M. Tullius Cicero, der dem Clodius auf Grund der Anklage wegen Religionsfrevels beim Skandal des Bona-Dea-Festes im Dezember 62 und des Protestes wegen des erkauften Freispruches verhasst war, sollte wegen der angeblich gesetzlosen Hinrichtung der Catilinarier, unter denen sich auch Clodius‘ Vetter Cethegus befand, angeklagt werden. Obwohl sich Cicero damals im Herbst 63 mit der Anwendung des senatus consultum ultimum gegen die Verschwörer im Recht befand, wusste er, dass durch Clodius jetzt im Herbst 58 ein politischer Prozess auf ihn zukam, mit dem Ziel, ihn aus der römischen Politik zu entfernen. Der verzagte Cicero ließ sich herab, zusammen mit seinem Schwiegersohn C. Calpurnius Piso Frugi, einem Verwandten des amtierenden Konsuls, diesen selbst aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Aber Piso antwortete hinhaltend und prangerte kurz darauf in der von Clodius zusammengerufenen Volksversammlung offen Ciceros Grausamkeit gegen die Hingerichteten an.
Knapp, kühl, aber wirkungsvoll gab der Konsul seine sententia ab: crudelitas mihi non placet (Pis.7). So musste der Mann, dem die Niederschlagung der Catilinarischen Verschwörung den Ehrennamen parens patriae eingetragen hatte und dem man die corona civica verleihen wollte, seinem Prozess zuvorkommen: Er ging ins Exil nach Thessalonike und Dyrrhachion.
Bald darauf wurde auch M. Porcius Cato mit ehrenvollem Auftrag nach Zypern entfernt, weil er für die Hinrichtung der Verschwörer gestimmt hatte.
Damit hatte sich Piso, der zusätzlich dem Senat verbot, wegen Ciceros Verbannung Trauerkleider anzulegen, aus Eigennutz einen leidenschaftlichen Politiker und wortgewaltigen Literaten zum Feind gemacht.
Der Helfershelfer Clodius tat noch ein Übriges, nachdem ein Ächtungsgesetz Ciceros Verbannung legalisiert hatte. Er ließ mit Billigung Pisos das Haus Ciceros auf dem Palatin durch den Pöbel ausplündern und in Brand stecken. Auch Ciceros Villen in Tusculum und Formiae wurden ausgeraubt und zerstört, nur die in Antium blieb verschont.
Gleichzeitig wurde von Clodius ein Gesetz eingebracht, nach dem auf Senatsbeschluss Gabinius Prokonsul von Kilikien (kurz darauf in Syrien geändert) und Piso Prokonsul der Provinz Macedonia mit Sitz in Thessalonike wurden – unter den wachsamen und misstrauischen Augen des Exilanten Cicero, der jeden Fehltritt notierte. Und diese ‚Amtsübertritte‘ ließen in des Statthalters Aufenthaltszeit vom Jahr 57 bis zum Spätsommer 55 auch nicht auf sich warten.
Nicht nur von Cicero kamen schon bald schlechte Nachrichten nach Rom. Auch andere lasen in privaten Briefen wenig Gutes über Piso und seine mitgezogenen Gefolgsleute, was den Spötter C. Valerius Catullus anstachelte, Piso als vappa (c. 28) zu schmähen, die Pisonis comites, cohors inanis (c. 28), mit beißendem Hohn zu überziehen, weitere Zechgenossen seiner convivia lauta als duae sinistrae Pisonis scabies famesque mundi (c. 47) zu beschimpfen und dem Prokonsul eins unter die Gürtellinie zu geben: ille verpus Priapus (c. 47).
Damit besaß Piso einen zweiten spitzzüngigen Verächter, über dessen treffende Pasquille sich seine Neider in Rom sicher schadenfroh die Hände rieben.
Als Cicero in der zweiten Hälfte des Jahres 57 nach Rom zurückberufen war, brachte er eine lange Liste der Verfehlungen Pisos zu Gehör. In den Reden Pro Sestio und vor allem in De provinciis consularibus (56) zählte er dessen schwere Übergriffe in der Verwaltung der damals ganz Griechenland umfassenden Provinz Macedonia auf, um vor dem Senat sein Votum zu begründen, dass die Prokonsuln Piso aus Makedonien und Gabinius, die hochverschuldete und habgierige „Nackttänzerin und Schwuchtel Semiramis“ (prov.9 et passim), aus Syrien abberufen werden und die Provinzen in Zukunft praetorische sein müssten.
Als Piso im September 55 nach Rom zurückgekehrt war und sich im Senat heftig gegen die Anschuldigungen Ciceros vom Vorjahr wehrte, dabei voller Hohn dessen Vers cedant arma togae gegen Catilina zitierte (Pis. 70), reagierte jener mit einer wütenden wort- und detailreichen Gegeninvektive.
Seine In L. Calpurnium Pisonem oratio ist ein Meisterwerk rhetorischer Hassreden, gespickt mit absichtlichen Versprechern über Vorfahren und Aussehen seines Gegners, wie Calventius („Glatzkopf“) anstatt Caesoninus (Pis. 7), seine in Verstellung gerunzelten Augenbrauen und in Sorgenfalten gelegte Stirn genau so, wie uns jetzt die Büste eines Unbekannten in Berlin anblickt(4). Aus der langen Aufzählung der Schandtaten in einer geschickten praeteritio lassen sich die wichtigsten Anklagepunkte aufzählen: Piso habe seinen Gastfreund Plator und dessen Begleiter Pleuratus gegen 300 Talente Bestechungsgeld des Königs Cottus(5) ermorden und den Besserfürsten Rabocentus mit seinen Gesandten hinrichten lassen und ihre Köpfe an Cottus gesandt, die Untertanen und Bundesgenossen schamlos ausgesogen und einen Krieg gegen sie entfacht, weil er angesichts seiner Herkunft sein Vater war Waffenfabrikant den Gebrauch der Waffen dem Frieden vorzöge. Dazu habe Piso unrechtmäßig Kranzgold eingezogen, Recht und Gesetz zu seinem Vorteil ausgelegt, den Frauen nachgestellt, die Provinz in trostlosem Zustand verlassen, vor den eigenen Truppen heimlich die Flucht nach Rom ergriffen und für das Thema Villa dei Papiri wichtig , getrieben von hemmungsloser avaritia, vor allem aus der freien Stadt Byzantium zahlreiche Standbilder (signa, de prov. consul. 6-7) geraubt, den Tempel des Iuppiter Svelsurdus geplündert (Pis. 85) und Achaia exhausta (Pis. 96) viele Kunstwerke wegführen lassen.
Diese Vorwürfe lassen sich belegen, sie sind also von Cicero nicht erfunden, sondern nur übertrieben. Denn wütender Hass eines in seiner Eitelkeit zutiefst Gedemütigten führte offensichtlich seine scharfe Feder, wobei er zur Ausschmückung seiner Anwürfe in die reichgefüllte Kiste grober Schimpfwörter gegen den zweiten Verres griff(6) (s. Schluss). Zwar hatte der Schlagabtausch von Invektive und Gegeninvektive in einer öffentlichen und vorläufig für Cicero siegreichen Schlammschlacht gegen Piso geendet, doch führte diese nicht zur erhofften Repetundenanklage (Pis. 94). Cicero hätte gern als Hauptbelastungszeuge oder wiederum als Ankläger gedient, aber das verhinderte Pisos patronus et gener.
Auch Clodius war nicht zu einer Anklage bereit. Er hatte ja schon einmal dabei keinen Erfolg gegen den habgierigen Propraetor Piso gehabt. Zudem war seine sorgsam vorbereitete Schlinge, mit der er den Wiederaufbau von Ciceros Haus auf dem Palatin verhindern wollte, nicht zum Zug gekommen. Auf einem Teil von Ciceros Grundstück hatte Clodius in einer Säulenhalle ein fanum geweiht und darin der Libertas des römischen Volkes ein Standbild errichten lassen, damit Cicero auf geweihtem Grund kein Wohnhaus wiedererrichten konnte – es sei denn mit Religionsfrevel! Doch der Versuch, es Cicero mit gleicher Münze heimzuzahlen, misslang, denn jener wehrte sich in zwei Reden De domo sua oratio ad pontifices und De haruspicum responsis oratio. Daraufhin bewiesen die Priester Clodius, er habe das Heiligtum ohne gesetzliche Ermächtigung gebaut und daher abzureißen. Als nun Cicero nach Wiedereinsetzung und Entschädigung (4.8.57) seines Vermögens auf dem Palatin sein Haus erneut aufrichten ließ, rächte sich Clodius mit einem Überfall seiner Bande auf die dort arbeitenden Handwerker und stellte Cicero auch weiterhin nach, bis ihn sein ständiger Terror durch Milos Gegen-Schlägerbande am 20. 1. 52 das Leben kostete.
Dagegen besaß Pisos Kollege, der Prokonsul A. Gabinius, weder eine glänzende Rednergabe noch einen einsatzbereiten Patron, als ihn nach seiner Rückkehr im September 54 gleich drei Anklagen wegen seiner Amtsführung erwarteten. Er wurde auf Druck der empörten Steuerpächter und der öffentlichen Meinung de repetundis verurteilt und ging im Dezember 54 ins Exil, ähnlich wie im Jahr 76 sein wegen Erpressungen in Achaia verurteilter Verwandter P. Gabinius. Aulus hatte sich nämlich ebenso unrechtmäßig Gelder beschafft zum Ausbau eines Palastes ad hunc Tusculani montem exstruendum (Pis. 48), in den er zuvor die geplünderten Beutestücke aus Ciceros dortiger Villa hatte überführen lassen. Im Jahr 48 zurückgerufen und von Caesar mit einem Kommando betraut, konnte er seine Villa nicht mehr lange bewohnen, weil er schon 47 starb.
Piso jedoch konnte fast fünf Jahre lang als Privatmann die geraubten Früchte seines letzten Amtes genießen. Indem er sich aus den politischen Kämpfen weitgehend heraushielt, erbaute er mit dem reichlich erworbenen Geldvermögen ungestört eine Luxusvilla mit den riesigen Ausmaßen von 253 m x 80 m am Fuße des Vesuvs in der Nähe von Herculaneum, die sich in drei Ebenen bis zum Meer erstreckte. Sorgfältig schmückte er Räume und Gärten mit den erwähnten griechischen Kunstwerken aus. Zudem hielt er sich einen Hausphilosophen, den Epikureer Philodemus von Gadara, dessen bisher kaum lesbare Schriften in der Mehrzahl der weit über 1800 Papyrusrollen in Pisos Bibliothek verkohlt erhalten sind. Cicero schimpfte diesen Mann Graeculus, adsentator et poeta, weil er den Patron und dessen Taten in Gedichten pries und weil er den Lebensstil Pisos, Epicurus noster ex hara productus (Pis. 37), durch seine Lehre des reinen Genusses auch noch philosophisch rechtfertigte (Pis. 70).
Doch dann wurde Piso mit Appius Claudius Pulcher, dem Konsul von 54, zum Censor für das Jahr 50 ernannt. Die beiden Prokonsuln, die sich wohl auch in Herculaneum öfters sahen, verband eine Freundschaft gegenseitiger Protektion. Claudius hatte sich im Jahr 61 ebenso gründlich in Griechenland nach Kunstwerken umgesehen und war nicht frei von avaritia. Sein gleichnamiger Sohn, Konsul im Jahr 38, bekam neben M. Nonius Balbus auch eine Ehreninschrift im Theater von Herculaneum. Wahrscheinlich hatte er den Bau mit griechischen Standbildern ausgeschmückt. Auch die drei Statuen der kleinen und großen „Herkulanerinnen“ fand man dort 1709(7).
Eine Art Sittengerichtsbarkeit nach den mores maiorum oblag den Zensoren auch bei der lectio senatus. Die Optimaten wünschten schon lange, den Quaestor des Jahres 55 und Volkstribunen von 52, einen leidenschaftlichen Parteigänger Caesars, senatu movere. Tatsächlich strich Piso den C. Sallustius Crispus (86-34) aus der Senatsliste, indem er ihm einen fünf Jahre zurückliegenden Ehebruch mit Fausta, der Tochter Sullas und seit 55 Ehefrau des T. Annius Milo, vorhielt. Der frisch verheiratete Milo hatte damals den Buhlen in flagranti ertappt und kräftig gezüchtigt. Jetzt fühlte sich Sallust durch die öffentliche nota censoria und die damit verbundene ignominia ein zweites Mal bestraft, wahrscheinlich zur Genugtuung Ciceros, gegen den er 54 eine Invektive verfasst hatte, denn eine erneute Kritik Ciceros an Pisos Amtsführung ist uns nicht überliefert.
Sallust hat Piso den Rauswurf nie verziehen. Doch konnte er seinem Ärger nicht Luft machen, denn der für seinen politischen Ehrgeiz wichtige Patron Caesar war ja gleichzeitig Pisos Schwiegersohn. Schon zwei Jahre später war Sallust von seines Gönners Gnaden wieder Quaestor, 46 Praetor und anschließend Propraetor der Provinz Africa Nova, wo er sich ähnlich wie Gabinius und Piso einst in ihren Provinzen hab- und raffgierig aufführte. Doch der gegen ihn angestrengte Repetundenprozess wurde auf Caesars Intervention eingestellt.
Der dictator perpetuus hatte – negotiis amicorum intentus (Catil. 54,4) - wahrlich viel Unrecht seiner habgierigen und verfilzten Klientel gedeckt, ehe er den Dolchen an den Iden des März 44 zum Opfer fiel.
Der Schwiegervater des Toten musste nun eine wichtige Aufgabe erfüllen: Er setzte sich für die Gültigkeit von Caesars Testament erfolgreich ein und leitete die Begräbnisfeierlichkeiten, die bekanntlich nach der Rede des Antonius aus dem Ruder gerieten und auf einen weiteren Bürgerkrieg zusteuerten. Vor dem Ausbruch des Krieges versuchte Piso noch zweimal vermittelnd auszugleichen, ehe er kurz nach dem Jahr 43 verstarb.
Auch um Caesars Vermögen hatte er sich gekümmert und u.a. aus dessen Besitz ein Gelände im Norden Roms an Sallust verkauft, wo dieser die schönsten Gärten der Stadt anlegen ließ, die horti Sallustiani. Aus ihnen stammt die Kopie der herrlichen Statue der verwundeten Amazone des Kresilas, die im Pergamonmuseum gezeigt wird.
Für Sallust war der Tod Caesars ein ungeheurer Schock. Er zog sich aus der Politik zurück, gestand seine Verfehlungen offen ein, bereute geläutert seine bisherige Lebensführung, sann sowohl über die unruhigen Agitatoren der bedrückenden Zeitereignisse als auch über die Ursachen des politischen und sittlichen Verfalls nach und griff zur Feder. Um den Anfängen der so tief gesunkenen Moral nachzuspüren, schrieb er exemplarische Geschichte, zuerst die Coniuratio Catilinae.
Es ist hier nicht der Platz, eine detailreiche Inhaltsangabe zu referieren. Doch vor dem Hintergrund unseres Themas sind Sallusts Einsichten in die Sitten der Zeit sehr interessant. Dazu soll verdeutlicht werden, wie Handlungen und Charakterzüge der oben geschilderten Personen in die Gestalten der coniuratio zurückprojiziert wurden. Auch in zahlreichen Äußerungen lassen sich bekannte Klagen über den Umgang mit Geld wiederfinden. Sallust hat aus seinen eigenen Erlebnissen allgemeine Urteile formuliert.
Im Laufe der römischen Geschichte hat sich eine Schere aufgetan: Je größer das römische Imperium nach außen wuchs, desto tiefer sanken im Zentrum der Macht die Fähigkeiten, gerecht und maßvoll zu regieren. Die Zerrüttung des Staatswesens führte Sallust vornehmlich auf die Dekadenz und Korruption der Nobilität zurück, als die pauci potentes, die wenigen Mächtigen der großen Familien, pro pudore, pro abstinentia, pro virtute audacia, largitio, avaritia zuließen (Catil. 3,3) und begannen, rapere, consumere, sua parvi pendere, aliena cupere (Catil. 12,2). Vor allem in der Verwaltung der Provinzen nähmen die Prokonsuln und Propraetoren, die ignavissimi homines, den Bewohnern alles fort, was einst die siegreichen Vorväter ihnen gelassen hätten, in der Meinung, es sei ihr Recht, signa, tabulas pictas, vasa caelata oder toreumata privatim et publice rapere (Catil. 11,6.20,12) in der Überzeugung, iniuriam facere, id demum esset imperio uti (Catil. 12,5). Hier sehen wir die untereinander vernetzten Calpurnier, Gabinier, Claudier wieder mit ihren zugeschacherten Provinzen, den erpressten Geldern, den geraubten Kunstsammlungen und den meist niedergeschlagenen Repetundenprozessen, weil ihre hohen Patrone sie schützten.
Von Übel war nach Sallust seit dem Jahr 70 auch das Gebaren der Volkstribunen, die rücksichtslos, ihrem Alter und ihrer Art entsprechend, durch Vorwürfe gegen den Senat die Masse aufhetzten, um sie immer mehr durch Geschenke und Versprechungen zu entflammen, um selbst clari potentesque fieri (Catil. 38,1).
Dazu zählten als ein Teilnehmer der Verschwörung L. Calpurnius Bestia (Catil. 17,3), und vor allem P. Clodius. Dessen ruhelose Agitationen, dessen heftige Frechheit, dessen brutales Vorgehen lesen wir in der Charakterisierung seines Vetters C. Cethegus (s.o.): natura ferox, vehemens, manu promptus erat, maxumum bonum in celeritate putabat (Catil. 43,4). Die aufgepeitschte Masse aber hat bei der Leichenfeier des Clodius die Curia Hostilia, das Senatsgebäude, in Flammen aufgehen lassen. Und war nicht Sallust auch als Volkstribun ein leidenschaftlicher Parteigänger oder Opfer der Zensoren?
Von einem ähnlichen Fall, wie einst ihm passiert, erzählt Sallust mit voller Zustimmung: Q. Curius, natus haud obscuro loco, flagitiis atque facinoribus coopertus, quem censores senatu probri gratia moverant (Catil. 23,1), hatte ein Verhältnis mit der Adeligen Fulvia. Das erinnert an die mulieres Fausta (s.o.) und Sempronia, die eheliche Treue nicht hochhielten, um stattdessen ihre pudicitiam in propatulo habere (so Catil. 13,3 zu Fausta, inhaltlich vergleichbar 25 zu Sempronia). Und denkt man nicht an Pisos Partys und Gabinius‘ aufreizende Tänze, wenn man liest: sed lubido stupri, ganeae ceterique cultus non minor incesserat: viri muliebria pati...(Catil. 13,3)?
Um aber die Pisonenfamilie insgesamt zu verunglimpfen, führte Sallust eigens Exkurse ein. Einer behandelte zwar in den Kapiteln 18 und 19 die erste Catilinarische Verschwörung von 66/65, aber viel ausführlicher einen weniger Beteiligten, den Quaestor von 65, Cn. Calpurnius Piso Cn. filius. Die kräftig markierten Charakterzüge lassen Sallusts Rache erkennen: Erat eodem tempore Cn. Piso, adulescens nobilis, summae audaciae, egens, factiosus, quem ad perturbandam rem publicam inopia atque mali mores stimulabant (Catil. 18,4). Der Senat verzichtete auf eine Strafe nach der Vereitlung der Verschwörung, indem er den foedum hominem als quaestor pro praetore ins diesseitige Spanien entfernte, wo ihn schon Anfang oder Mitte 64 die eigenen Reiter seines Heeres auf dem Marsch ermordeten, weil sie die imperia eius iniusta, superba, crudelia nicht mehr ertragen konnten (Catil. 19,2-5, bessonders 4). Mit diesen Worten waren der „abscheuliche Mensch“ und seine Sippe für immer gerichtet, auch wenn Sallust den Einwand nachschob, dass man glaube, Spanier seien zu solchen Taten niemals fähig. Aber sie waren es doch, wie sich an einem späteren Piso zeigen sollte (s.u.).
Einen weiteren gehässigen und hinterhältigen Piso behandelte Sallust im Exkurs des Kapitel 49. C. Calpurnius Piso, Konsul des Jahres 67, war 66 und 65 Prokonsul in Gallia Transalpina gewesen und hatte einen Transpadaner ungerechterweise hinrichten lassen, wofür er von Caesar 63 vor Gericht gezogen, von Cicero aber verteidigt und dann freigesprochen wurde. Seitdem hegte C. Piso eine gravis inimicitia gegen Caesar und suchte Cicero mit Bitten, Geld und Gefälligkeiten dazu zu bringen, durch die Allobroger oder andere Zeugen Caesar fälschlicherweise als Teilnehmer der Verschwörung anzuzeigen. Der Konsul Cicero blieb standhaft.
So verstreuten Piso und Q. Catulus, odio incensus, weil letzterer bei der Wahl zum pontifex maximus übergangen worden war, überall entsprechende Gerüchte, die magnam invidiam gegen Caesar erregten, so dass er von wachhabenden Rittern beim Verlassen der Senatssitzung im Concordiatempel mit dem Schwert bedroht wurde. So merkt der Leser, dass Caesar beinahe aus Heimtücke eines Piso erschlagen worden wäre.
Ebenso bekommt die Familie der Gabinier noch einen Hieb, weil ihr Angehöriger P. Gabinius Capito als der gefährlichste der Verschwörer um Catilina galt, da er die gallischen Allobroger gewann (Catil. 40 6) und die Stadt an allen Ecken anzünden wollte (Catil. 43,2).
Das sind sie, die Nobiles, die Sallust in Catos Rede an den Pranger stellt: Sed, per deos immortalis, vos ego appello, qui semper domos, villas, signa, tabulas vostras pluris quam rem publicam fecistis ... expergiscimini aliquando et capessite rem publicam ... Saepenumero, patres conscripti, multa verba in hoc ordine feci, saepe de luxuria atque avaritia nostrorum civium questus sum, multosque mortalis ea causa advorsos habeo ... Iam pridem equidem nos vera vocabula rerum amisimus: quia bona aliena largiri liberalitas, malarum rerum audacia fortitudo vocatur, eo res publica in extremo sita est (Catil. 52,5-11).
Einen weiteren Tadel richtet Sallust gegen die Bauten der beati possidentes. Diese hätten sich nicht gescheut, villas ... in urbium modum exaedificatas... (Catil. 12, 3) anzulegen, ja gerade so, dass man es mit eigenen Augen gesehen haben müsse, sonst glaube man es nicht, wie a privatis compluribus subvorsos montis maria constrata esse. Diesen Verschwendern schienen ludibrio fuisse divitiae (Catil. 13,1-2), quas profundant in exstruendo mari montibus coaequandis (Catil. 20,11). Sallust musste gar nicht deutlicher reden, denn jeder seiner zeitgenössischen Leser kannte solche Bauherren von luxuriösen Landsitzen, und viele wussten, wen Sallust hinter den allgemeinen Verdammungsurteilen persönlich anprangerte: Piso, den Erbauer der Prachtvilla bei Herculaneum. Diese Villa hat Sallust sicher selbst gesehen, als er im Jahr 47 in Kampanien war, sonst hätte er nicht geschrieben operae pretium est, cum ... villas cognoveris ... (Catil. 12,3).
Hätte Sallust schon zu seinen Lebzeiten (86-34 v. Chr.) geahnt, was am 24. und 25. August 79 n. Chr. in Kampanien geschah, er hätte nicht nur mit Verachtung, sondern vermutlich zusätzlich mit einem Unterton von Schadenfreude gewettert. Damals verschüttete eine Lawine aus Schlamm und Bimsstein die sich in drei Ebenen zum Meer hin erstreckende Villa und begrub die mehr als 80, sorgsam als Blickfang aufgestellten Skulpturen aus Marmor und Bronze. Zwar meinen die Ausgräber, diese Meisterwerke seien erst von Pisos Sohn gekauft oder auf dessen Bestellung angefertigt worden, aber darüber schweigt die Überlieferung völlig, während sie hingegen vom Kunstraub des Vaters deutlich redet. Die gefundenen Statuen tragen griechische Züge und sind teils so erotisch und frivol, daß dem ganz anders gearteten Sohn ein solcher Erwerb nicht zuzutrauen ist, denn in Rom war man prüder als in Griechenland.
Der Sohn L. Calpurnius Piso Frugi Pontifex, 15 Konsul, dann Prokonsul in der Transpadana, Sieger beim Thrakeraufstand 13-11, war als pontifex von frommer, untadeliger Lebensführung und dem Kaiser Tiberius ein so willkommener Freund, dass er ihn 14 n. Chr. zum praefectus urbi ernannte. Seine Verwaltertätigkeit im Dienste der Versorgung der Stadt übte er bis zum Jahr 32 n. Chr. aus. Damals starb er als achtzigjähriger, hoch angesehener Mann, – seine Büste steht zur Zeit in Berlin. Das einstimmige Lob seiner Zeitgenossen galt vor allem seinem uneigennützigen Einsatz für die Stadt und ihm als integrem Musenfreund. Q. Horatius Flaccus hat diesem hochgebildeten Manne und dessen Söhnen sogar sein letztes Werk, die Ars poetica, im Jahre 13 gewidmet. Darin wird der ältere Sohn Lucius, der maior iuvenum, mehrfach als selbst dichtend erwähnt.
Diesem L. Calpurnius Piso wurde 25 n. Chr. wie einst seinem Vorfahr die Statthalterschaft im diesseitigen Spanien übertragen. Da wagten es die Spanier wieder, sich von dessen Härte bei der Eintreibung unterschlagener Gelder durch einen Mord zu befreien.
Bis auf wenige Ausnahmen müssen die Mitglieder der Pisonen-Familie, getrieben von Habsucht, einen herben, hartherzigen und herrischen Charakter gehabt haben.
Als der Vesuv ausbrach, war wohl niemand der nach der Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung 65 n. Chr. dezimierten Familie mehr in der Villa dei Papiri. Auch die Dienstkräfte waren geflohen. Jedoch hatten sich manche verängstigten Bewohner von Herculaneum mit ihren kleinen Habseligkeiten, ihrem Schmuck und Geld in Händen oder kleinen Beuteln, in ein Bootshaus am Meeresufer geflüchtet in der Hoffnung, über das durch ein Seebeben aufgewühlte Wasser zu entkommen. Als vom Vesuv die erste pyroklastische Wolke mit einer Hitze von 400° herunterwallte, wurden die Menschen in Sekundenschnelle dahingemäht. Die in Asche konservierten Skelette bieten ein Bild von ergreifender Eindringlichkeit.
Die Villa des Piso faszinierte nach ihrer Entdeckung 1750 n. Chr. erneut die Reichen dieser Welt. So baute sich in Malibu in Kalifornien der Ölmagnat Jean Paul Getty 1974 originalgetreu eine zweite Villa dei Papiri auf, in der bis heute seine Sammlung von Antiken präsentiert wird.
Die im linken, oberen Flügel des Pergamonmuseums präsentierten Stücke, vor allem die aus der Villa dei Papiri, sind sehr sehenswert. Die Ausstellungsräume sind durchweg als dunkle, kleine Zimmer gestaltet, offenbar in Anlehnung an die Verschüttung Herculaneums, obwohl ein recht großer Teil der ausgegrabenen Stadt heute im Licht liegt.
Es können sich nicht mehr als höchstens 10 Personen in einem der engen, verwinkelten Räume aufhalten; und nie mehr als zwei Besucher können gleichzeitig die kleineren Objekte in den Glasvitrinen betrachten, die in die schwarzen Kulissen eingelassen sind. Die Beschriftung, klein und im Dunkeln, ist oft unleserlich. Die Ausstellungsmacher haben ein Labyrinth gebaut mit dem Effekt, dass man in den nachgebauten Stollen keine Luft bekommt. Dies kann daran erinnern, dass bei der ersten Ausgrabung wegen giftiger Dämpfe die Arbeiten eingestellt werden mussten. Um 10 Uhr öffnete am 22.9.05 die Ausstellung, um 12 Uhr lag die erste Besucherin wegen Sauerstoffmangels ohnmächtig am Boden. Die immer erdrückend schlechte Luft im vielbesuchten Pergamonmuseum wird oft beklagt, die fehlende bzw. Schlecht arbeitende Belüftungsanlage und die mangelnde Bereitschaft des Personals, die Fenster zu öffnen, sind schon lange ein Skandal. In „Verschüttet vom Vesuv“ kann man jetzt sogar das Ersticken der einstigen Opfer nachempfinden!
Fink, G., Schimpf und Schande, München 1990
Kasten, H., Cicero Staatsreden, Teil 2, Berlin 1969
Mühlenbrock, J. und Richter, D., Verschüttet vom Vesuv, Katalog, Zabern 2005
Pauly-Wissowa, Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft 1894
Dr. Barbara Demandt
Beerenstraße 28a
14163 Berlin
(1) Verschüttet vom Vesuv - Die letzten Stunden von Herculaneum, Sonderausstellung im Pergamonmuseum vom 22. 9. 2005 – 1.1.2006; Katalog: J. Mühlenbrock, D. Richter (Hrsg.), Mainz 2005
(2) Alle Jahreszahlen beziehen sich auf die Zeit vor Christus; nach Christus wird mit n. Chr. herausgestellt.
(3) Lucius Calpurnius Piso Caesoninus war 112 Konsul, 107 Legat.
(4) Der aus der Villa dei Papiri stammende „Ignoto“ könnte Piso sein. Zumindest zeigt die lebensgroße Büste die ausdrucksvollen Züge eines arroganten und verächtlichen Römers, der Führungsstärke und Unerbittlichkeit zeigen möchte und eine gewisse Ähnlichkeit mit der identifizierten Büste seines Sohnes hat (s.u.).
(5) Kotys, König der Asten und Odrysen in Thrakien, unterstützte Pompeius in der Schlacht bei Pharsalos und regierte bis 45/44.
(6) Es folgen prägnante Beispiele aus der Rede In Pisonem, deren Würze erst richtig schmeckt, wenn man ein lautes, gehässiges DU vor (und hinter) die deutsche Übersetzung setzt.
Auffällig bei dieser Fülle ist jedoch, dass Cicero im Gegensatz zu Catull auf sexuelle Obszönitäten fast vollständig verzichtet.
admissarius |
Hengst, geiler Mensch/ Bock |
adsentator |
Speichellecker |
adulter |
Ehebrecher |
animal |
Untier |
asinus |
Esel |
belua |
Untier, Ungetüm, Scheusal, Vieh |
bustuarius |
Grabschänder, Leichenfledderer |
bustum |
Totengräber |
cadaver |
Leiche, Tierleiche, Aas, Kadaver |
caenum |
Dreck, Dreckstück, Schmutzfink |
calventius (calvus) |
Glatzkopf |
carnifex |
Henkersseele |
caro |
Aas |
caro putida |
stinkendes Stück Fleisch, Luder |
dedecus |
Schande, Schandkerl |
dedecus braccatae cognationis |
Schandfleck deiner behosten Verwandtschaft |
depeculator |
Plünderer |
Epicurus noster ex hara productus |
unser aus dem Saustall geholter Epikur |
fur |
Gauner, Dieb |
furia |
Wahnsinniger, Dämon |
furcifer |
Galgenstrick |
furunculus |
kleiner Spitzbube |
ganeo |
Schlemmer |
gladiator |
Gangster, Bandit |
gurges |
Prasser |
helluo |
Genießer, Schlemmer |
homullus |
Missgeburt |
homullus ex argilla et luto fictus |
Vorgartenzwerg |
hostis |
Staatsfeind, Volksfeind |
infelix |
Unglücksrabe |
labes |
Ruin, Untergang, Verderben |
lutum |
Dreck, Dreckskerl, Dreckspatz |
lutulentus caesus |
schlammiger/kotiger Niedergeschlagener |
maialis |
kastriertes Schwein |
miser |
Unglückswurm |
monstrum foedissimum |
abscheulichstes Ungeheuer |
monstrum immanissimum |
grausamstes Ungeheuer |
pecus |
Stück Vieh, Mistvieh, Schaf, Schafskopf |
pestis |
Pestbeule, Seuche |
portentum |
Ungeheuer, Scheusal, Missgeburt |
portentum fatale |
verderbliches/tödliches Ungeheuer |
praedo |
Räuber, Plünderer |
praeposterus imperator |
verdrehter Feldherr |
prodigium |
Ungeheuer, Ungetüm |
proditor |
Verräter |
rapax |
Räuber |
sacrilegus |
Tempelschänder |
scelus |
Verbrecher, Frevler, Schurke |
scopulus rei publicae |
Zerstörer des Staates |
sordes |
Dreckstück, Schmutzfink, Mistvieh |
tenebrae |
Finsterling, Dunkelmann, dunkler Ehrenmann |
vexator |
Plage, Plagegeist, Peiniger, Brandschatzer |
vorago |
Schlund, Abgrund, Verprasser |
vulturius |
Aasgeier |
(7) Sie standen ehemals in den Nischen der Bühnenwand und gelangten auf Umwegen nach Dresden. Die drei Frauenstatuen werden jetzt in Berlin gezeigt, aber ihre Deutung ist nicht klar. Winckelmann nannte sie „Vestalen“ (Katalog S. 27), Richter (ebd. S. 274) vermutet Demeter und Kore, aber wer sollte dann die dritte Herkulanerin sein? Die Ausstellungsmacher meinen, mit diesen hellenistischen Statuen würden verdiente Bürgerinnen der Stadt geehrt. M. E. ständen solche Ehrenstatuen von Römerinnen eher auf dem Forum, hätten wahrscheinlich individuelle Züge und eine Inschrift zu Füßen. Lassen sich nicht Statuen in der Bühnenwand eines Theaters eher mit Musen in Verbindung bringen? Kann Melponene als Muse der Tragödie ein Tuch über dem Kopf tragen, kann Thalia als Muse der Komödie eine jüngere Frau sein ebenso wie Terpsichore für den Tanz? Wer stand eigentlich in der vierten Nische der Bühnenwand? Vielleicht ist die Statue ja noch nicht ausgegraben. Auch ein Odeon ist nicht gefunden. Könnte noch Euterpe, die Muse der Lyrik, als vierte dazugehören? Wenn man einwendet, dass die Statuen keine Attribute der jeweiligen Musen tragen, lassen sich diese ehrbaren Frauengestalten nur mit der Herkunft aus dem Bereich eines hellenistischen Heiligtums erklären, so ähnlich wie einst solche Skulpturen zwischen den Säulen des Pergamonaltares standen, schön, aber namenlos.
Nur eins verdanken wir den Herkulanerinnen. Winckelmann, begeistert von ihren dünnen und nassen Gewändern, welche die Schönheit ihres Körpers erahnen lassen, formulierte 1754 in Dresden an diesen Meisterstücken die edle Einfalt und stille Größe in Stellung und Ausdruck, der in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele zeige (Katalog S. 27). Das war quasi der geistige Funke, der in Europa den Klassizismus ins Leben gerufen hat.