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                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VI/2+3 (2006), 28

Stefan Kipf

Aut Caesar aut nihil? - Der Lateinunterricht im Wandel am Beispiel der Caesar-Lektüre(1)

 

I. Caesar = Lateinunterricht

Caesar nimmt in der Geschichte des Lateinunterrichts eine einzigartige Stellung ein: Wohl kein anderer Autor wurde und wird als der „römischste Römer“(2) mit dem Lateinunterricht so identifiziert, dass beide wie selbstverständlich zusammenzugehören scheinen. Fast könnte man es für ein ehernes Grundgesetz des Lateinunterrichts halten, dass der lateinische Sprachunterricht ausschließlich auf Caesar und seine puristische Sprache ausgerichtet ist und die Originallektüre ihren Anfang natürlicherweise mit Caesars Bellum Gallicum nimmt. Wohl jeder Schüler, der einmal am Lateinunterricht teilgenommen hat, ist auf diese Weise direkt oder indirekt mit dem römischen Imperator in Kontakt gekommen und hat, möglicherweise als einzigen lateinischen Originaltext, Gallia est omnis divisa übersetzt oder sogar auswendig gelernt. In der Tat hat Caesar jedoch nicht nur Spracherwerb und Lektürepraxis, sondern darüber hinaus auch das Erscheinungsbild des gesamten Lateinunterrichts geprägt. Es hat nämlich den Anschein, als bündelten sich in der Lektüre des Bellum Gallicum wie in einem Brennglas alle wichtigen formalen und inhaltlichen Ziele und Fachleistungen des Lateinunterrichts, die jedoch ausschließlich auf zwei Komponenten reduziert werden können, nämlich auf Grammatik und Krieg. Caesar-Lektüre repräsentierte (und repräsentiert wohl immer noch) einen Lateinunterricht, der „literarisches Kriegsspiel im Klassenzimmer“(3) betrieb, nach gängiger Meinung mit diesem Unternehmen bei den Schülern nur Langeweile, Desinteresse oder Widerwillen auslöste und letztlich dazu führte, dass das „einzige Wortfeld, das Generationen von Lateinschülern dank schier endloser Caesar-Lektüre aus dem Effeff beherrschten, ... Krieg‘“(4) war. Caesar ist somit auch Indikator für alle wesentlichen Probleme des Lateinunterrichts. Mit Sicherheit ist es vor allem der jahrzehntelangen Praxis der Caesar-Lektüre zu danken, dass auch heute noch mit dem Lateinischen zuallererst grammatischer Drill und militärische Taten, weniger Dichtung oder Philosophie identifiziert werden.
Nun hat sich der Lateinunterricht in den letzten 30 Jahren stark gewandelt. Meine These ist, dass sich dieser Wandel wiederum exemplarisch an der Caesar-Lektüre nachvollziehen, ja plastisch veranschaulichen lässt. Die didaktische Begründung, methodische Aufbereitung und unterrichtliche Behandlung Caesars ist nicht nur ein Exemplum für die Vergangenheit des Lateinunterrichts, sondern auch für seine Gegenwart und Zukunft.


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II. Historische Entwicklung der Caesar-Lektüre seit dem 19. Jahrhundert

Diese einseitige Zuspitzung auf Caesar, die Paul Barié im Jahr 1984 mit „aut Caesar aut nihil?“ treffend zusammengefasst hat, ist ein erstaunliches Phänomen, da der Römer in der Geschichte des Lateinunterrichts lange Zeit keine zentrale Rolle spielte und vor dem 19. Jahrhundert zunächst allenfalls für die oberen Klassen vorbehalten blieb. So wurde bereits im Jahr 1770 in einer Caesar-Ausgabe geklagt, dass der Römer an den Schulen „nicht solchen aestim findet, und so gang und gäbe ist, als es wohl meritiret“(5). Dies kann nicht überraschen, da die Lektüre Caesars von damals namhaften Vertretern aus Didaktik und Philologie nicht für den Schulunterricht empfohlen wurde:. So bemerkte Friedrich Gedike (1754-1803), der bekannte Berliner Schulreformer und Begründer des preußischen Neuhumanismus: „Den Cäsar werde ich wenigstens nicht mit meinem Lehrling lesen. Die umständliche und trockne Erzählung aller Kriegsanstalten und Schlachten würde ihm (ich rede von einem jungen Menschen, dem der lebhafteste Schriftsteller der angenehmste ist) bald langweilig werden.“(6) Diese mangelnde inhaltliche Eignung Caesars (vor allem des Bellum Gallicum) für Anfänger betonte ebenfalls kein anderer als Friedrich August Wolf (1759-1824): „Zum Lesen ist dieses Werk (= Bellum civile) anziehender als das vorige (= Bellum Gallicum), weil es genau mit der römischen Geschichte zusammenhängt und ihr näher liegt. Zum ersten (= Bellum Gallicum) muss man viel Geographie mitbringen. Caesar ist nicht ein Autor für Anfänger, so wie er auch für Schulen kein Autor ist, so leicht er übrigens ist.“(7) So kann es nicht verwundern, dass Caesar im sog. Süvernschen Normalplan von 1816, dem ersten, von staatlicher Seite konzeptionierten Lehrplan in Preußen, nicht als Anfangsautor, sondern erst in der Tertia, also der 8. Klasse, neben den Prosaisten Iustinus, Curtius Rufus und Nepos zur Lektüre vorgeschlagen wird. Von einer irgendwie gearteten Dominanz Caesars ist hier nichts zu spüren.

Andererseits darf das didaktische Gewicht von Caesars Sprache nicht außer Acht bleiben, ein Aspekt, der für Caesars letztlich positive Karriere als Schulautor von größter Bedeutung werden sollte. So lobt Wolf ausdrücklich die sprachlichen Qualitäten Caesars: „Wer sich aber einen natürlichen einfachen Autor wählen will, um seinen Stil zu bilden, für den ist nach Xenophon kein besserer, als er.“(8) In der Tat kann man wohl davon ausgehen, dass sich Caesar aufgrund seines vorbildhaften, dem klassizistischen Ideal des Neuhumanismus entsprechenden Stils erst seit dem frühen 19. Jh. zu einem Standardautor der Schullektüre entwickeln konnte, während seine inhaltliche Eignung nicht unumstritten blieb. Überdies gewann der sprachliche Aspekt durch die wachsende Bedeutung der formalen Bildung für den altsprachlichen Unterricht an entscheidender Bedeutung.


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In dem Maße, in welchem seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts liberale Ideen der Humboldtschen Bildungsreform unter dem Einfluss einer konservativen Bildungspolitik in der Hintergrund gedrängt wurden, wuchs die Bedeutung formaler Bildungsaspekte, die sich zu allererst in einer starken Konzentration auf die sprachlich-stilistische Ausbildung der Schüler bemerkbar machte. Da Caesars Stil, zumeist unter Berufung auf das berühmte Lob Ciceros (Brutus 262: „‘Atque etiam commentarios quosdam scripsit rerum suarum.‘ ‚Valde quidem‘, inquam, ‚probandos: nudi enim sunt, recti et venusti, omni ornatu orationis tamquam veste detracta.‘“) als besonders klar strukturiert, einfach und natürlich eingestuft wurde und somit als vorbildliches Latein galt, schien er für die grundlegende Lektüre in der Mittelstufe besonders geeignet. Allerdings führte dies ganz offensichtlich zu einer Unterrichtspraxis, die bereits im 19. Jahrhundert heftig kritisiert wurde, da die Inhalte vernachlässigt und die Schüler „systematisch zur Gleichgültigkeit gegen den Inhalt erzogen“(9) wurden. Besonders aufschlussreiche Informationen liefert hierzu der bekannte Lexikograph Hermann Perthes (1840-1883): „ ‚Leider sind Caesars Commentarien,‘ ... ‚vorzugsweise eine Lectüre der Schulmeister und Schulbuben geworden: man übt an ihnen Formenlehre und Syntax, Etymologie und Synonymik, Phraseologie und Styl und verdirbt so den Meisten der auf solche Weise Gedrillten auf immer die Lust, als gereifte Männer zu ihnen zurückzukehren. Wir sprechen aus Erfahrung: eine philologische Erklärung des Cäsar, welche uns im Semester 12-15 Capitel zerfetzt und zerkaut eintrichterte, hatte uns auf lange Jahre hinaus das unsterbliche Werk des großen Römers ... verleidet ...‘ ... Ganz so schlimm freilich, wie es uns hier von einer um einige Decennien zurückliegenden Zeit gesagt wird, steht es nun heute wohl nicht oder doch nur ausnahmsweise; dass aber noch immer, wenn auch etwas rascher gelesen werden mag, die formale Behandlung des Schriftstellers so sehr in den Vordergrund tritt, dass der Inhalt als etwas nur ganz nebensächliches gilt, dafür kann ich die Aussage eines preußischen Provinzial-Schulrathes anführen ..., dass ihm unter hundert Lehrern kaum Einer bekannt sei, der bei der Durchnahme der Commentarien Cäsar‘s ... auf den Inhalt des Schriftstellers eingehe.“(10)

Im wilhelminischen Schulwesen gewannen dann die Inhalte zunehmend an Bedeutung, mit deren Hilfe die Lektüre auf der Basis eines in der Regel idealisierten Caesarbildes in den Dienst nationaler Erziehungsziele gestellt wurde: „Und doch ... soll und kann der Schüler bei dieser Quellenlektüre lernen, was er beim historischen Unterricht nicht lernt, nämlich was zur Bewegung eines Heeres gehört, welches die Mittel und Bedingungen des Sieges sind, wie die Persönlichkeit eines großen Führers auf die Soldaten wirkt ..., warum und wie die disziplinierte Tapferkeit eines zivilisierten Heeres der rohen Tapferkeit von Barbaren überlegen ist.‘ Auch Tertianer sollen hier in ihrer Art etwas von der weltgeschichtlichen Bedeutung der Unterwerfung Galliens verstehen lernen. Dazu kommt die stete Beziehung zu dem Heimatlichen, das der Knabe hier zum ersten Male aus einer römischen Quelle schöpft.


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Der Gegensatz der römischen Kultur und der germanischen Urkraft, der sich in der Geschichte der folgenden Jahrhunderte immer wieder zeigt, die Berichte über deutsche Männer und Verhältnisse in alter Zeit bringen sogar ein nationales Interesse zur Geltung. Auch die Beziehungen unseres Landes zu Frankreich ergeben wertvolle Berührungspunkte. Der keltische Nationalcharakter, die geographischen Verhältnisse Galliens, die eine Anknüpfung an die Schlachtfelder des deutschen Krieges, an die Marschlinien unserer Truppen zulassen, sind hier zu erwähnen. Besonders aber darf man hier an den alten Streit um die Rheingrenze denken.“(11)

Dass Caesar im Rahmen einer derartigen Schullektüre immer wieder idealistisch als genialer Feldherr und Staatsmann gezeichnet wurde, dürfte zusätzlich durch die „eigenwillige Apotheose“(12) Theodor Mommsens im 1856 erschienenen Band III seiner Römischen Geschichte(13) inspiriert worden sein. Mommsens idealisierender Einfluss auf die schulische Lektüre Caesars war offensichtlich so stark, dass Carl Peter, Rektor von Schulpforta, in einer Schrift aus dem Jahr 1863 gegen Mommsen und dessen Caesar-Bild Stellung bezog, um „von den Gymnasien den nachtheiligen Einfluß abzuwehren, vom dem sie ... durch das gesamte Werk bedroht sind“(14). Tatsächlich wurden gewichtige Gründe gegen eine Caesar-Lektüre ins Feld geführt: „Die Lectüre des Cäsar in Tertia ist vom pädagogischen und didactischen wie vom nationalen Standpunkt aus zu verwerfen ... Die kalte, treulose Politik des Römers ist ebenso wenig wie die frivolen Beschönigungen derselben ein Element, woraus ein idealer Sinn erwachsen oder sittliche Charakter-Bildung hervorgehen kann; und dass der Schüler jene Politik mehrfach gegen Deutsche ausgeübt sieht, macht die Sache nur um so schlimmer.“ (15) Negative Auswirkungen auf Caesars zentrale Stellung in Lehrplänen und Schulpraxis hatte dies jedoch nicht.

Unter diesen Auspizien entwickelte sich Caesar zum führenden Mittelstufen- und anstelle von Nepos auch allmählich zum alleinigen Anfangsautor und das Bellum Gallicum zum zentralen Referenztext von Unter- und Obertertia. Während in der Weimarer Zeit die Lektüre Caesars einseitig nach den Grundsätzen der national ausgerichteten Kulturkunde erfolgen sollte, erreichte der ideologische Missbrauch Caesars in der Zeit des Nationalsozialismus seinen Höhepunkt: Die Lektüre des Bellum Gallicum sollte nunmehr Rassenbewusstsein fördern: „Im neuen Deutschland wird es aber vor allem nötig sein, die Jugend innerlich zu begeistern für deutsche Vorzeit und deutsche Art ... Und auch in der Caesar-Lektüre werden andere, neue Gesichtspunkte maßgebend sein müssen: die Fragen nach Heimat und Landschaft, Wehrhaftigkeit und Ehrbegriff, Verfassung und Recht, Kunst und Religion, Hausbau und Ackerbau und Sitte der Germanen. Selbstverständlich darf die römische Art nicht zu kurz kommen, denn nur am Gegensatz lernt man verstehen, lieben, ablehnen ...“(16) In diesem Zusammenhang wurde auch der didaktische Wert des Bellum civile gewürdigt, an dessen Beispiel das Führerprinzip besonders gut vermittelt werden könne: „Nachdem - notgedrungen? - das Bellum Gallicum zum Übungsgegenstand der Spracherlernung herabgewürdigt ist, ist es eine Hauptforderung für den staatlich orientierten Lateinunterricht der Zukunft, in den Oberklassen dem Bellum civile wieder den Platz einzuräumen, der ihm als einem der großen politischen Lehrbücher der Menschheit, als dem Denkmal höchsten Führertums gebührt.“(17)


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Trotz ihrer in vieler Hinsicht problematischen Seiten erfolgte in der Nachkriegszeit keine kritische Neubewertung der Caesar-Lektüre. Trotz offenbar vorhandener Einwände(18) dominierte auch weiterhin die traditionelle Mischung aus Grammatik und Krieg, die - von nationalistischen Tönen weitgehend befreit(19) - ganz offensichtlich als didaktisch besonders wirksam eingestuft wurde. So war es für den bedeutenden Methodiker Max Krüger eine Selbstverständlichkeit, dass Caesar trotz der negativen historischen Erfahrungen als Anfangsautor „seine kanonische Stellung behalten“(20) sollte. Dabei stand für Krüger „das sprachliche Ziel ... durchaus im Vordergrund.“(21) Die besonders „einfache, knappe, kristallklare, allgemein verständliche und immer der jeweiligen Situation angemessene Sprache des Meisters“(22) macht nach Krügers ganz traditioneller Auffassung Caesar als Anfangsautor für diejenigen Schüler unersetzlich, die erstmals die „gelernte Technik des Übersetzens ... auf eine geschlossene Lektüre“(23) anwenden sollen. Die Militäraktionen hält Krüger für eine spannende Abenteuerlektüre, so dass es leicht sei, „mindestens Jungen dahin zu bringen, daß sie Caesar gern lesen“(24). Probleme erwartet er hingegen bei der Caesar-Lektüre mit Mädchen.(25) Übrigens war auch die Tendenz zu einer Idealisierung Caesars ungebrochen. Kritische Töne sollten bei der Lektüre völlig ausgespart werden, da der Lehrer nicht verantworten könne, dass ein schiefes Caesarbild entsteht und „Jungen über ein Genie zu Gericht sitzen“(26). Dementsprechend soll man im Rahmen einer Oberstufenlektüre „den genialen Politiker und Feldherrn ... zeichnen, aber ebenso den großen Menschen, der durch seinen überragenden Geist und den Zauber seiner Persönlichkeit alle in seinen Bann zieht“(27). Dass die Caesar-Lektüre „die kriegerischen Instinkte nähre“, verdient für Krüger „keine ernste Beachtung“.(28)

 

III. Reform des Lateinunterrichts ohne Caesar!

Es kann nicht verwundern, dass in den siebziger Jahren unter dem Einfluss der Curriculumtheorie(29) eine heftige Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern der Caesar-Lektüre entbrannte, die jedoch Auswirkungen auf den gesamten Lateinunterricht haben sollte. Repräsentierte Caesar doch genau den Lateinunterricht, der von seinen Kritikern als „Exerzierfeld für grammatischen, formalistischen Sprachdrill“(30) eingestuft wurde und wegen der Idealisierung Caesars als genialem Feldherrn und Staatsmann nicht mehr zeitgemäß und unbedingt veränderungswürdig zu sein schien. Caesar als zentraler Schulautor schien nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass „Klassische Philologen zur Innovation nicht fähig sind“(31).


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Im Rahmen der Reformdebatte wurde Caesar zu einem wichtigen Prüfstein für die Reformfähigkeit des Lateinunterrichts insgesamt; an ihm musste sich zeigen, ob der Lateinunterricht zu einer Modernisierung in Theorie und Praxis in der Lage war. Da am Beispiel Caesars eine Generaldebatte über „heiligste Güter“ und ein „festgewurzeltes Dogma“(32) des Lateinunterrichts geführt wurde, musste eine fundamentale Neubewertung der Stellung Caesars auf die Gestaltung von Sprach- und Lektüreunterricht weitgehende Folgen haben. So ist es nicht verwunderlich, dass zu Beginn der siebziger Jahre die Schärfe der vorgebrachten Caesarkritik eine neue Qualität erreichte. Dabei ist besonders beachtenswert, dass die kontroverse Debatte über Caesar nicht auf die siebziger Jahre beschränkt blieb, sondern auch in der Folgezeit immer wieder aufflammte, zuletzt gegen Ende der neunziger Jahre. Anhand dieser intensiven Diskussion um die Caesar-Lektüre werden drei herausragende Aspekte deutlich, die für die veränderte Entwicklung des Lateinunterrichts seit den siebziger Jahren konsitutiv sind:

 

1. Flexibilisierung des Lektürekanons

Am Für und Wider um Caesar wird eine zentrale Grundfrage des gesamten altsprachlichen Unterrichts diskutiert, nämlich welche lateinischen Texte für Schüler geeignet sind: „Wo finden sich Texte, die leicht sind und dreizehn- bis vierzehnjährige Schüler und Schülerinnen etwas angehen; wo finden sich Texte, die nicht im Gewande einer schwierigen fremden Sprache obendrein noch schwierige fremde Gegenstände darbieten, die entweder der Phantasie Nahrung geben oder im vertrauten Milieu des Alltags Allgemein-Menschliches behandeln?“(33) Neue Antworten auf diese Grundfrage wurden im Zusammenhang mit der Caesar-Lektüre gefunden, und zwar durch deutliche Abgrenzung von Caesar: Insbesondere Vertreter der universitären Latinistik opponierten zu Recht gegen den weit verbreiteten Glauben, dass die Lektüre von Caesars Schriften und der Lateinunterricht wie selbstverständlich zu allen Zeiten seiner Existenz zusammengehörten: Fuhrmann bezeichnete Caesar sogar als einen „Parvenu unter den Schulschriftstellern“(34). Die Dominanz der Caesar-Lektüre wurde in einleuchtender Weise nicht allein als Ergebnis didaktischer Notwendigkeiten, sondern vor allem auch politischer und geistesgeschichtlicher Prozesse begriffen; daraus ergibt sich mit Evidenz eine „Relativierung des Anspruchs, wonach Caesar – möglicherweise die einzige – verbindliche Mittelstufenlektüre sein soll“(35). Dabei wurden verschiedene didaktische Argumente gegen eine verbindliche Caesar-Lektüre ins Feld geführt:

- Frage der Altersangemessenheit: Seit den 70er Jahren bemängeln die Kritiker(36) eine sprachliche und inhaltliche Überforderung der Lektüreanfänger, da sie die sprachliche und inhaltliche Raffinesse der Darstellung weder selber erarbeiten, geschweige denn angemessen würdigen könnten.(37) Angesichts der zahlreichen didaktischen Artikel, die sich intensiv mit Texterschließungsfragen während der Caesar-Lektüre befassen, kann man wie Joachim Dalfen zu dem Schluss kommen: „Für die Schüler ist Caesar schwierig“(38), es handele sich um „eine an sich gute Ware“, die jedoch „dem falschen Abnehmerkreis“(39) angeboten werde.


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- Motivationsprobleme: Über einen Zeitraum von 30 Jahren wird mit erstaunlicher Kontinuität darauf hingewiesen, dass heutige Schüler wohl kaum Freude an der Schilderung militärischer Taten empfinden könnten(40) und die Inhalte an den Interessen der Schüler(41) völlig vorbeigingen. In der Tat kann die Caesar-Lektüre, wie Walther Ludwig am Ende der 60er Jahre formulierte, „oft eine bleibende Enttäuschung am Latein <verursachen>, da der Schüler, der gehofft hatte, die Autorenlektüre würde die grammatische Arbeit der ersten Jahre lohnen, sich nun durch diesen Text durchzurackern hat, ohne das Gefühl zu haben, daß er irgendwie für ihn selbst relevant sei.“(42)

- Wissenschaftlichkeit des Caesar-Bildes: Neben moralischen Bedenken wegen der „Dominanz des machtpolitisch-militärischen Komplexes“(43) und der damit einhergehenden „Zurückdrängung des Emotionalen, ja des Humanen“ wurde noch in den 90er Jahren kritisiert, dass die fachdidaktische Diskussion nach wie vor von einem wissenschaftlich anachronistischen, idealisierenden Caesarbild(44) bestimmt werde, und forderte Sensibilität „gegenüber dem brutalen römischen Imperialismus, gegenüber einer Herrenvolkideologie, gegenüber Völkermord und gegenüber dem, was man als ‚Integration durch Ausrottung‘ bezeichnen muß“(45).

Diese Ablehnung Caesars ging einher mit einem breiten Spektrum an Alternativvorschlägen, die zu einer enormen Flexibilisierung und Erweiterung des Lektürekanons führte: Wir finden Autoren, denen in der Nachkriegszeit relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden war, die jedoch z. T. in der Geschichte des Lateinunterrichts über lange Zeit von großer Bedeutung gewesen waren. So wurde von Walther Ludwig(46) als Ersatz für Caesar der Komödiendichter Terenz in die Diskussion eingebracht, der den Lateinunterricht als Anfangsautor vom Humanismus bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt hatte. Wohl noch bekannter wurde der Alternativvorschlag Manfred Fuhrmanns: Unter Hinweis auf den Lateinunterricht in Mittelalter und früher Neuzeit lenkt er den Blick auf die sog. ‚Kleinen Gattungen‘ mit Texten, „die leicht, gefällig, bedeutend und für Heranwachsende geeignet sind“(47) und mündet letztlich in die bekannte Alternative „Cäsar oder Erasmus“. Fuhrmann betont vor allem den didaktischen Wert der Colloquia des Erasmus wegen ihrer geringen sprachlichen Anforderungen, ihrer Wirklichkeitsnähe und witzig-satirischen Darstellungsweise. Als weitere Alternativen zu Caesar wurden z. B. Cicero (Reden), Nepos, Ovid, Phaedrus, Gellius, die Legenda Aurea und Celsus vorgeschlagen. Diese Alternativen fanden Eingang in die Lehrpläne für die Mittelstufenlektüre und bewirkten insgesamt eine durchaus bemerkenswerte Erweiterung des Autorenspektrums mit einer stärkeren Betonung poetischer Texte sowie von Texten aus Mittelalter und früher Neuzeit. Diese Flexibilisierung des Lektürekanons hatte auch spürbare Auswirkungen auf die Lehrbuchphase:


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Die Caesar-Lektüre stellt nicht mehr die allein maßgebliche Richtschnur für die Gestaltung der meisten Lehrwerke dar. Daher kann es nicht überraschen, dass parallel hierzu das Spektrum der in den Lehrbüchern verwendeten Textsorten bzw. literarischen Gattungen ausgesprochen vielfältig geworden ist. Gleichwohl führte die Kritik an Caesar nicht zu seiner Dekanonisierung, sondern zur Entwicklung von neuen didaktischen Konzepten, die seine Existenz als Schulautor nachhaltig sicherten. Hierauf will ich im Folgenden näher eingehen.

 

2. Hinwendung des Lateinunterrichts zur Interpretation

Bereits in den fünfziger und sechziger Jahren war über die didaktische Funktion der Interpretation im Rahmen des lateinischen und griechischen Lektüreunterrichts intensiv diskutiert worden: Die Interpretation antiker Texte galt als „Krönung“ des altsprachlichen Unterrichts. Trotz weitreichender pädagogischer Ansprüche und hochgesteckter humanistischer Bildungsziele beschränkte sich die Interpretation von Originaltexten zumeist auf eine umfassende Klärung der sprachlichen Probleme. Die von Max Krüger formulierte Gleichsetzung von Übersetzung und Interpretation („Interpretieren heißt richtig übersetzen.“) hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass über die philologische Textentschlüsselung hinausgehende Reflexionen über die Inhalte und die Intentionen des Autors sowie das Nachdenken über mögliche Gegenwartsbezüge im Hintergrund blieben oder sogar abgelehnt wurden. Diese einseitig philologische Praxis mit ihrem „minimalistischen“(48) Interpretationsbegriff, die ganz offensichtlich weder zu befriedigenden sprachlichen, inhaltlichen und pädagogischen Ergebnissen noch zu einer hinreichenden Motivation der Schüler geführt hatte, wurde nunmehr grundsätzlich in Frage gestellt. Tatsächlich gab es nun so etwas wie eine „didaktische Wende hin zur Interpretation“(49), die durch den großen bildungspolitischen Legitimationsdruck, der auf den Alten Sprachen lastete, und die damit einhergehende didaktische Neuvermessung des gesamten Unterrichts nachhaltig befördert wurde. Die Interpretation rückte ins Zentrum des didaktischen Interesses und wurde gewissermaßen von der Übersetzung emanzipiert und grundsätzlich als eine fachstrukturelle Notwendigkeit des altsprachlichen Unterrichts begriffen. Interpretation wurde nunmehr verstanden als sprachliche und inhaltliche Auswertung der Intention eines Autors, und zwar durch Berücksichtigung von Sprache, Stil und literarischen Ausdrucksmitteln.

Zusätzliche Notwendigkeit gewann die Interpretation, da die traditionelle, aber wissenschaftlich völlig unhaltbare Auffassung aufgegeben wurde, antike Texte könnten gewissermaßen aus sich selbst heraus, ohne Anwendung eines methodisch abgesicherten hermeneutischen Verfahrens pädagogisch wirksam werden. Ein derartiger „Transfer-Optimismus“(50) wurde zu Recht als unwissenschaftlich kritisiert und als didaktisches Kriterium aus der Diskussion ausgeschlossen.


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Damit die Texte für die Schüler Gegenwartskraft gewinnen, wurde auf die Herstellung von aktuellen Bezügen besonderer Wert gelegt. Zur produktiven Bewältigung der Fremdheit der Antike wurden auf der Basis von Hölschers Konzept der Antike als dem nächsten Fremden verschiedene Ansätze entwickelt: Am Beispiel ihrer literarischen Erzeugnisse wird die Antike als Gegenbild zur Gegenwart aufgefasst; ferner wird den Texten ein historisches Sinnpotential mit der Möglichkeit eines existentiellen Transfers zugeschrieben; schließlich werden die Textzeugnisse nicht als idealisierte Vorbilder oder Modell aufgefasst, sondern dienen als Denkmodelle der exemplarischen Problemdarstellung.

Diese Entwicklung lässt sich an der Caesar-Lektüre nachvollziehen und wird durch den von Friedrich Maier 1983 erstmals formulierten Grundsatz bestätigt: „Wer heute noch im ‚alten Stil‘ Caesar liest: ziellos, über Monate hin fast nur als Übersetzungsdrill, ohne interpretatorische Absicht, ohne deutlich fixierbare Einsichten und Erkenntnisse ... der tut besser daran, seine Schüler das Bellum Gallicum überhaupt erst nicht aufschlagen zu lassen.“(51)

Seit Anfang der siebziger Jahre wurde die Interpretation des Bellum Gallicum völlig neu ausgerichtet und auf diese Weise die bisher prägenden didaktischen Grundsätze zur Disposition gestellt: Hatte man in den fünfziger und sechziger Jahren die Caesar-Lektüre vor allem als sprachliches Exerzierfeld für Lektüranfänger verstanden und versucht, den Text als spannendes Abenteuer darzustellen und kritische Bewertungen auszublenden, sollten nunmehr vor allem die gesellschaftlich-politischen Implikationen des Werkes und Caesars Darstellungsintentionen sowie seine Methoden der Leserlenkung in den Vordergrund gestellt werden, und zwar auf der Basis einer genauen sprachlichen Textanalyse, die nicht mehr grammatizistisch-formal, sondern inhaltlich motiviert ist. „Die Regel sollte daher keine isolierte Analyse des Satzes oder Kapitels sein, sondern eine Analyse im Zusammenhang der Lektüre, die zum genauen Verständnis notwendig ist und erkennen läßt, wie Caesar seine Gedanken vorträgt oder Ergebnisse schildert und in welcher Absicht er sich gerade so und nicht anders ausdrückt. Den Hintergedanken eines Autors und zumal eines Politikers ‚auf die Schliche zu kommen‘, ist spannend und erkenntnisreich. Hierin liegt eine unmittelbare Motivierung zur genauen sprachlichen Analyse eines lateinischen Satzes.“(52) Im Jahr 1972 hat Glücklich hat diese neue, ideologiekritische Zielsetzung der Caesar-Lektüre in passender Weise als „abwägende Beurteilung Caesars“(53) bezeichnet. Eine tendenziell caesarkritische Lektüre mit gesellschaftskritisch-emanzipatorischen Bildungszielen wurde somit unumgänglich, hierin sollte sogar ihr eigentlicher didaktischer Wert liegen. Dem Römer könne man nur „mit kritischem Hinterfragen seiner Sprache, seines Textes, seiner Politik“(54) beikommen.


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Dieser grundsätzliche Richtungswechsel der Caesar-Lektüre erfuhr nicht nur eine eindrucksvolle Bestätigung und Vertiefung in der seit dem Ende der siebziger Jahre umfangreich publizierten didaktischen Literatur, sondern vor allem in zahlreichen neuen Schultextausgaben. Seit 1970 ist eine fast unübersehbare Fülle an Caesar-Schultextausgaben zum Bellum Gallicum publiziert worden. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Neuproduktionen, nur in seltenen Ausnahmefällen wurden ältere Ausgaben neu aufgelegt oder erweitert. Insgesamt wurden seit 1970 bis heute 24 neue Schultexte veröffentlicht. Diese Rundumerneuerung der Lektüreausgaben und ihre im Vergleich zu anderen Schulautoren höhere Zahl unterstreicht nicht nur die weiterhin zentrale Bedeutung Caesars als Schulautor, sondern auch das Bedürfnis und die Notwendigkeit nach didaktischer und methodischer Innovation. Abgesehen von drei Gesamtausgaben bilden exemplarisch wichtige Passagen das Textgerüst, die in der Regel reichhaltige Auswahlmöglichkeiten bieten: Es handelt sich um den Helvetierkrieg, die Auseinandersetzungen mit Ariovist, die Britannienexpeditionen, die ethnographischen Exkurse über Gallier und Germanen sowie die Ereignisse bei Alesia (Schwerpunkt Vercingetorix und Critognatus).

Die didaktische Neuausrichtung macht sich in der überwältigenden Mehrheit der Textausgaben bemerkbar: Zum Teil wird schon in den einleitenden Vorbemerkungen zur Gattung Commentarius und zu Caesars Erzählstil auf die politischen Absichten der Darstellung hingewiesen, wodurch zugleich die didaktische Hauptrichtung des Unterrichts deutlich wird. So heißt es in der Augabe von Maier/Voit: „Caesar will also durch seine Rechtfertigungsschrift auf die Senatoren Einfluß ausüben. Die Commentarii de bello Gallico haben deshalb eine klare Intention. Damit stellt sich auch notwendigerweise die Frage nach der Objektivität der Darstellung. Hat Caesar immer und überall die historische Wahrheit berichtet? Diese Frage ist seit der Antike nicht eindeutig beantwortet worden; sie stellt sich heute dem Forscher wie dem Leser aufs neue.“(55) Noch deutlicher formuliert Siebenborn in seiner Schulausgabe diese Position für die Schüler: „Man darf sich von dem Titel commentarii, der Objektivität vorspiegelt, nicht täuschen lassen. Caesar schildert alles aus seiner Perspektive, und alle Ausführungen dienen dazu, das eigene Handeln zu rechtfertigen und ins rechte Licht zu setzen.“(56) Dementsprechend steht dieses Problem auch bei den Interpretationsaufgaben etwa zum Prooemium im Vordergrund. Die Herausgeber legen großen Wert darauf, dass die Schüler erarbeiten, dass Caesars einleitende Bemerkungen weniger exakte Angaben über Geographie und Kultur Galliens liefern, sondern den römischen Leser auf die Gefahren aufmerksam machen sollen, die von Galliern, Helvetiern und Germanen für Caesar und Rom auszugehen schienen. Entsprechend weist Maier in seinem ausführlichen Lehrerkommentar darauf hin, dass das Prooemium durch den Hinweis auf die Germanen an römische Urängste appelliere und zeige, „dass der Helvetierkrieg als die Vorstufe zur eigentlichen Auseinandersetzung mit den Germanen zu verstehen ist; das Proöm eröffnet die Perspektive auf die pangallische Zielsetzung unter dem Vorzeichen der Germanenbedrohung.“(57) Das Fazit lautet: „Das Horrorbild der Germanen wird propagandistisch eingesetzt.“(58)


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Obwohl die Herausgeber an dieser Stelle sehr zurückhaltend mit direkten Aktualisierungen umgehen, so ist doch klar, dass auf dieser Grundlage indirekt durchaus Gegenwartsbezüge hergestellt werden können, so z. B. bei der Aufdeckung und ersten Bewertung von Caesars propagandistischer Darstellungsintention.

So finden wir in den Ausgaben zahlreiche Impulse und Arbeitsaufträge, die entsprechende Interpretationsergebnisse zu Tage fördern sollen, wie z. B.:
„Caesar sieht in der Veröffentlichung der commentarii über den Gallischen Krieg ein Mittel zur Werbung für sich und seine Politik. Gerade der Anfang des Berichtes ist dabei wichtig, denn er muß die Leser für die Sache Caesars gewinnen. Was enthält die Einleitung? Welchen vielleicht ganz anderen Anfang könntest du dir vorstellen? Charakterisiere den Text: Findest du ihn sachlich oder persönlich, oberflächlich oder informativ, objektiv oder einseitig usw. Wie tritt der Autor in Erscheinung? Welchen ersten Eindruck erhält der Leser oder die Leserin insgesamt?“(59) Allerdings darf man Gefahren dieser Impulse nicht übersehen: Durch eine allzu oft suggestiv angelegte Formulierung der Fragen und Impulse werden die Antwortmöglichkeiten drastisch eingeschränkt und das erwartete Resultat indirekt bereits vorweggenommen. Das gewählte Beispiel macht auf dieses generelle Problem aufmerksam: Durch die vorangestellte Einschätzung der Absichten Caesars erhalten die anschließenden, an sich neutral formulierten Fragen eine Tendenz, die das intendierte Ergebnis zu stark vorbestimmen. Was eigentlich zur Förderung der Selbsttätigkeit und Kritikfähigkeit der Schüler gedacht sein mag, kann hier das Gegenteil, nämlich mangelnde Eigenkreativität und Opportunitätsdenken bewirken.

 

3. Methodische Flexibilisierung und Differenzierung des Unterrichts

Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung dieser anpruchsvollen Inhalte und Ziele bleibt natürlich das sprachliche Verständnis des lateinischen Textes. An dieser Stelle wird jedoch ein Dilemma der modernen Caesar-Lektüre und des Lateinunterrichts insgesamt deutlich: Trotz einer mit Nachdruck vollzogenen inhaltlichen Modernisierung und trotz der Einbindung gesellschaftlich relevanter Themen scheint sich gerade für Lektüreanfänger die sprachliche Hürde als zunehmendes Problem zu erweisen. Es kann kein Zufall sein, dass kaum ein Didaktiker mehr wagt, Caesar als einen sprachlich leichten Autor zu bezeichnen. Dementsprechend wurden in verschiedenen Publikationen Wege aufgezeigt, die sprachlichen Hürden zu verkleinern, die Sprachkenntnisse der Schüler zu stärken und die Ergebnisse der Caesar-Lektüre zu verbessern. Hierzu zählen beispielsweise Vorschläge zur Vertiefung der Grammatikkenntnisse während der Lektüre und die Darbietung des Textes nach der Einrückmethode, mit deren Hilfe durch die kolometrische Anordnung des Textes auch komplexe Satzstrukturen veranschaulicht und von den Schülern selbst analysiert werden können. Offensichtlich stellt diese graphische Textgliederung ein unverzichtbares Hilfsmittel dar, was nicht zuletzt durch den enormen kommerziellen Erfolg der letzten Schulausgabe Friedrich Maiers unterstrichen wird.


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Auch die dabei erstmals vorgenommene, auf nur noch wenige Passagen konzentrierte Kernstellenlektüre macht auf das Problem aufmerksam, dass größere Textmengen, die den Namen ‚Lektüre‘ verdienen, kaum noch umzusetzen sind. Ferner geraten andere methodische Hilfen in den Vordergrund, die anstelle eines allzu mikroskopischen ‚Lesens‘ großräumigeres und rascheres Fortschreiten bei der Lektüre ermöglichen sollen. Umfangreiche oder zu schwierige Textpartien werden in bilingualer Form präsentiert, zusätzlich finden sich ausgewählte Passagen in deutscher Übersetzung oder in Paraphrase.

Auf die Milderung der sprachlichen Schwierigkeiten und eine schrittweise Hinführung zum Original zielt ebenfalls die Aufbereitung des Caesartextes nach dem gradatim-Prinzip in einem sog. ‚Annäherungstext‘, „der den Schüler an einen Originaltext heranführen soll, indem er sprachliche und inhaltliche Schwierigkeiten vorklärt, Informationen liefert, die das Verständnis des Originals erleichtern, und damit die Lektüre des Originaltextes vorentlastet“(60). Hierfür wurden ebenfalls verschiedene Unterrichtsmaterialien veröffentlicht, von denen insbesondere die gradatim-Ausgabe des Bellum Gallicum von Werner Kempkes (1988) hervorzuheben ist. Auch Texterschließungsmethoden werden allem Anschein nach bevorzugt mit Caesar-Beispielen veranschaulicht.(61) Desweiteren wurden Lernvokabularien(62) erstellt, die für den Wortschatz Caesars repräsentative Wörter in komprimierter Form bieten (500-600 Wörter); ferner finden sich verschiedene Übungshefte(63), mit deren Hilfe die Texterschließungsfähigkeiten, Wortschatz- und Grammatikkenntnisse gefördert werden sollen. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass verstärkte Anstrengungen unternommen wurden, die sprachlichen Probleme auch durch Computereinsatz zu verringern. Durch „Navigium“, das getrost als das erste wirklich ausgereifte Programm für den Lateinunterricht bezeichnet werden kann (und auch durch das jüngere „Minerva“-Programm) hat der lateinische Klassiker nicht nur einen Platz im Computerzeitalter erobert, sondern wird durch vielfältige, im Laufe der Jahre ständig weiterentwickelte elektronisch gesteuerte Darbietungsformen für Schüler leichter zugänglich gemacht.

Diese methodischen und technologischen Fortschritte zur Verbesserung der Caesar-Lektüre haben zugleich exemplarische Bedeutung für den gesamten Lateinunterricht: Am Beispiel des Referenzautors Caesar wird unterstrichen, dass der Lateinunterricht fähig ist, sich auch für moderne Arbeitsformen zu öffnen und dem öffentlichen Eindruck eines grundsätzlichen Modernitätdefizits entgegen zu wirken. Andererseits ist die Medien- und Methodenvielfalt nicht nur Nachweis der Modernität des Fachs und der Kreativität seiner Vertreter, sondern weist auf das Vorhandensein ernstzunehmender Probleme des Unterrichts hin: Die verstärkte Hinwendung zu motivierenden und aktivierenden Arbeitsformen, die nicht nur für Caesar, sondern auch für andere Autoren gilt, darf als deutlicher Hinweis gewertet werden, dass die Förderung der Motivation und die Bewältigung der sprachlichen Anforderungen der Originallektüre nach wie vor große Probleme bereitet.


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IV. Fazit

Seit den 70er Jahren machte der Lateinunterricht in Theorie und Praxis eine grundsätzliche Wandlung durch, die sich exemplarisch an der Caesar-Lektüre nachvollziehen lässt.

1. Durch die sinnvolle Abkehr von Caesar als dem allein entscheidenden Anfangsautor wurde der traditionelle Lektürekanon klassizistischer Prägung für andere Autoren geöffnet, die einen legitimen Platz im Lektüreunterricht beanspruchen können und in der Geschichte des Lateinunterrichts bis zur klassizistischen Wende im 19. Jahrhundert eine z. T. bedeutsame Rolle gespielt hatten, dann jedoch aus dem Unterricht weitgehend verdrängt worden waren. Insbesondere Terenz, Phaedrus, das Neue Testament und Texte aus Spätantike, Mittelalter und Neuzeit sind auf diese Weise stärker in das allgemeine Bewusstsein gerückt worden. Durch das Aufzeigen von Alternativen zur Caesar-Lektüre wurden Lehrbuchphase und die Mittelstufenlektüre inhaltlich und methodisch flexibilisiert: Caesar ist nun nicht mehr der wie selbstverständlich verpflichtende Anfangsautor, sondern teilt sich diese Funktion mit anderen Autoren wie Nepos, Phaedrus oder Terenz. Insgesamt war dem radikalen Ansatz zur fast völligen Eliminierung des Klassikers Caesar in Lehrplänen, didaktischer Reflexion und Unterrichtspraxis kein nachhaltiger Erfolg beschieden.

2. Im Zentrum des Lateinunterrichts und seiner Originallektüre sollte eine sprachliche und inhaltliche Interpretation von Denkmodellen stehen, die eine ideologiekritische Lektüre der Antike ausdrücklich einschließt und besonderen Wert auf die Herstellung von existentiell bedeutsamen Gegenwartsbezügen legt, um historische Kommunikation und eine produktive Bewältigung der Fremdheit der Antike zu ermöglichen. Dieser Ansatz hat zu einer völligen Neuausrichtung der Caesar-Lektüre geführt: Die z. T. polemische Auseinandersetzung um eines der „heiligsten Güter“ des Lateinunterrichts bewirkte einen methodisch und didaktisch erheblich sensibleren Umgang mit Caesar. Letztlich haben die Caesarkritiker dazu beigetragen, die schulische Caesar-Lektüre zu sichern, und einem didaktischen Konzept zum Durchbruch verholfen, in dem erst ideologiekritische Lektüre die Voraussetzung für eine bildende Auseinandersetzung mit Caesar schafft. Es wurde die Möglichkeit eröffnet, Caesar ‚gegen den Strich‘ zu lesen, seine diffizilen Methoden der Leserlenkung aufzudecken und als Mittel seiner eigennützigen politischen Ziele zu erkennen. In der Folge haben dann Lehrpläne und neu erarbeitete Lektüreausgaben sowie Unterrichtsmaterialien gute Voraussetzungen dafür geschaffen, die Caesar-Lektüre auf didaktisch und methodisch erneuerter Grundlage im Unterricht durchzuführen.


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3. Schließlich darf die Entwicklung der Caesar-Lektüre als Exemplum für die enorme Entwicklung der Methoden- und Medienvielfalt im Lateinunterricht verstanden werden. Daran wurde jedoch zugleich deutlich, dass auch bisher keine befriedigende Methode zur Lösung der sich allem Anschein nach verschärfenden Probleme mit der lateinischen Sprache gefunden wurden.
Auch wenn man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass sich die Praxis der Caesar-Lektüre nachhaltig gewandelt hat, liegen hierfür keine verlässlichen empirischen Daten vor, in welchem Umfang der ‚erneuerte Caesar‘ tatsächlich Einzug in die Unterrichtspraxis gehalten hat. Gerade die in den neunziger Jahren erhobenen kritischen Stimmen gegen die Caesar-Lektüre zeigen deutlich, dass trotz aller Bemühungen um eine didaktische und methodische Modernisierung nicht alle Blütenträume gereift zu sein scheinen.

 

V. Literaturverzeichnis

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Prof. Dr. Stefan Kipf
Humboldt-Universität zu Berlin
Didaktik der Alten Sprachen
Unter den Linden 6
10099 Berlin
E-mail: stefan.kipf@staff.hu-berlin.de


                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VI/2+3 (2006), 44

(1) Wesentliche Teile des Aufsatzes basieren auf Passagen meiner Habilitationsschrift, die 2006 unter dem Titel Altsprachlicher Unterricht in der Bundesrepublik Deutschland. Historische Entwicklung, didaktische Konzepte und methodische Grundfragen von der Nachkriegszeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts beim Verlag C.C.Buchner in Bamberg erscheint. Dieser Aufsatz ist in der Chronik Schuljahr 2005/06 des Gymnasiums am Kaiserdom Speyer, S. 34-53 erschienen und wird mit freundlicher Genehmigung hier abgedruckt.

(2) Peter Wülfing (1991), 71.

(3) Karl-Wilhelm Weeber (1998), 88.

(4) Karl Wilhelm Weeber (1998), 90.

(5) Johann Paul Krauß (1770), 2 (Vorrede).

(6) Friedrich Gedike (1779), 186 ff.

(7) Friedrich August Wolf (1832), 281.

(8) Friedrich August Wolf (1832), 281.

(9) Hermann Perthes (1875), 69.

(10)        Hermann Perthes (1875), 69 f.

(11)        Peter Dettweiler (31914), 121 f.

(12)        Karl Christ (1994), 134.

(13)        Theodor Mommsen (101909), 464: „Mit Recht rühmt man den Redner Caesar wegen seiner aller Advokatenkunst spottenden männlichen Beredsamkeit, die wie die klare Flamme zugleich erleuchtete und erwärmte. Mit Recht bewundert man an dem Schriftsteller Caesar die unnachahmliche Einfachheit der Komposition, die einzige Reinheit und Schönheit der Sprache. Mit Recht haben die größten Kriegsmeister aller Zeiten den Feldherrn Caesar gepriesen ... Allein alles dieses ist bei Caesar nur Nebensache; er ist zwar ein großer Redner, Schriftsteller und Feldherr, aber jedes davon ist er nur geworden, weil er ein vollendeter Staatsmann war.“

(14)        Carl Peter (1863), III; cf. Karl Christ (1994), 153 f.

(15)        Ostendorf bei Hermann Perthes (1875), 13 f.

(16)        Benno von Hagen (1933), 19.

(17)        Hans Oppermann (1933), 56.

(18)        cf. Peter Doll (1954), 492 ff.; ferner bei Max Krüger (1952), 65 f.

(19)        Unrühmliche Ausnahme bilden die Artikel von Hans Oppermann (1895-1982), die befremdlicherweise auch von späteren Didaktikern z. T. eingehend rezipiert wurden. Besonders anachronistisch wirkt sein Caesar-Artikel (1968, 21970) in den von Heinrich Krefeld herausgebenen „Interpretationen lateinischer Schulautoren“. Oppermann benutzt ein Vokabular, das an den didaktischen Jargon aus der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Begriffe wie Volkstum, Führertum, die ausführliche Behandlung von Schlachtenschilderungen und die bedingungslose Idealisierung der Persönlichkeit Caesars machen diesen Artikel zu einem bedrückenden Dokument für die unkritische Tradierung eines völkisch und militaristisch ausgerichteten Lateinunterrichts, der eigentlich seit 1945 hätte überwunden sein sollen. Oppermann hatte sich nach 1933 offen zum Nationalsozialismus bekannt und sich mit entsprechenden Schriften hervorgetan.


                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VI/2+3 (2006), 45

(20)        Max Krüger/Georg Hornig (1959), 173.

(21)        Max Krüger (1952), 67.

(22)        Max Krüger (1952), 68.

(23)        Max Krüger (1952), 67.

(24)        Max Krüger/Georg Hornig (1959), 63.

(25)        cf. Max Krüger/Georg Hornig (1959), 63.

(26)        Max Krüger/Georg Hornig (1959), 174.

(27)        Max Krüger (1952), 78.

(28)        Max Krüger (1952), 66.

(29)        cf. Stefan Kipf (2006).

(30)        Friedrich Maier (1983), 5.

(31)        Joachim Dalfen (1995), 267.

(32)        Walther Ludwig (1968), 7.

(33)        Manfred Fuhrmann (1976), 87. Zur Kanonfrage Stefan Kipf (2001).

(34)        Manfred Fuhrmann (1976), 84.

(35)        Paul Barié (1982), 10.

(36)        Hartmut von Hentig (1966), 341.

(37)        cf. Paul Barié (1982), 7, Joachim Dalfen (1995), 273, Dietmar Schmitz (1999), 35.

(38)        Joachim Dalfen (1995), 268.

(39)        Joachim Dalfen (1995), 273.

(40)        cf. Walther Ludwig (1968), 7.

(41)        cf. Dietmar Schmitz (1999), 33.

(42)        Walther Ludwig (1968), 7.

(43)        Paul Barié (1982), 8.

(44)        cf. Joachim Dalfen (1995), 272.

(45)        Joachim Dalfen (1995), 269.


                                     Pegasus-Onlinezeitschrift VI/2+3 (2006), 46

(46)        cf. Walther Ludwig (1968), 6.

(47)        Manfred Fuhrmann (1976), 87.

(48)        Klaus Westphalen (2001), 137.

(49)        Klaus Westphalen (2001), 139.

(50)        Heinz Munding (1975), 6.

(51)        Friedrich Maier (21988), 38.

(52)        Hans-Joachim Glücklich (1972), 45.

(53)        Hans-Joachim Glücklich (1972), 47.

(54)        Friedrich Maier (2000b), 6.

(55)        Friedrich Maier/Heinrich Voit (1990), 7.

(56)        Elmar Siebenborn (1995), 13.

(57)        Friedrich Maier (2000a), 36.

(58)        Friedrich Maier (2000a), 35.

(59)        Ulrike Höffler-Preißmann (1995), 30.

(60)        Rainer Nickel (1990), 86 f.

(61)        So z. B. in der Interpretatio-Textgrammatik von Glücklich/Nickel/Petersen (1980), 253 ff.

(62)        cf. Bernd Schümann (1977), Gottfried Bloch (1976, 1992).

(63)        cf. Rainer Nickel (1987).