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Inhalt:
I. Einige Vorbemerkungen
1. Spuren Roms in der amerikanischen Gesellschaft
2. Minima methodica
3. Rise or fall? Rom als Paradigma
II. Parallelen zwischen dem Imperium Romanum und den USA
III. Inneramerikanische Positionen zum Thema
1. Die Triumphalisten
2. Die Deklinisten
IV. Außeramerikanische Positionen - Analytiker
1. Komparatisten
2. Theoretiker des Imperium-Gedankens
V. Ausblick ins 21. Jahrhundert
1. Aufziehende Re-Imperialisierung
2. Demokratie versus Autokratie
„So wenig man von den Ereignissen der Zukunft weiß, …so sicher ist es, dass die bewegenden Mächte der Zukunft keine anderen sind als die der Vergangenheit: der Wille des Stärkeren, (…) der Wille zu Besitz und Macht. Und darüber hin schwanken wirkungslos die Träume, die immer Träume bleiben werden: Gerechtigkeit, Glück und Friede.“ (Oswald Spengler. Vom Sinn der Geschichte, 1941)
1. Spuren Roms in der amerikanischen Gesellschaft
Der Vergleich Amerikas mit Rom besitzt eine lange Tradition – innerhalb und außerhalb der USA: Bereits die Gründerväter Amerikas haben ihre Nation nach dem Vorbild der römischen Republik modelliert, haben die zu Mythen gewordenen exempla virtutis der Römer für ihre Zwecke usurpiert. (1) So stilisierte sich Präsident George Washington als ein zweiter Cincinnatus. Wie dieser als vom Pflug abberufener Diktator und Feldherr im Jahre 458 v. Chr. dem bedrängten Rom gegen die Aequer zum Sieg verholfen und nach vollbrachter Tat in republikanisch-vorbildhafter Manier seine Machtbefugnis wieder abgegeben hatte, um als einfacher Bürger auf sein Gut zurückzukehren, so legte George Washington 1783 nach der siegreichen Beendigung des Unabhängigkeitskrieges vor dem Kongress sein Mandat als General nieder und zog sich auf seine Farmresidenz Mount Vernon zurück.
Römische Tradition lebt auch fort in den lateinischen Motti vieler US-Bundesstaaten, die an die republikanischen Ideale der Freiheit und des Siedlerfleißes gemahnen, wie die Beispiele Salus populi suprema lex esto (Missouri), Regnat populus (Arkansas), Sic semper tyrannis (Virginia) oder Labor omnia vincit(2) (Oklahoma) belegen mögen. Die Selbstidentifikation Amerikas mit Rom durchdringt die verschiedensten Ebenen der amerikanischen Gesellschaft. In intellektuellen Debatten der amerikanischen Politikelite ist die Bezugnahme auf die römische Antike bis in die jüngste Zeit hinein präsent,(3) vor allem aber begegnet sie in den US-Medien auf Schritt und Tritt: Geläufig für die Wirkweise von Medien als Quietiv für die Massen ist der Begriff bread and circuses(4), illegale Einwanderer aus Mexiko werden als barbarian hordes, politische Kommentatoren als augurs und haruspices, die Sicherheitskräfte des Präsidenten als Praetorian Guard, US-Truppen als American legions bezeichnet. Nicht zuletzt bezieht sich die Populärkultur des Landes häufig auf Rom. Man denke etwa an das Caesars Palace-Hotel in Las Vegas, das römischen Prunk in amerikanischer Interpretation wiederaufleben lässt, an die zahlreichen Hollywoodfilme mit römischen Sujets wie Quo vadis (1951), Ben Hur (1959), Spartacus (1960), Gladiator (2000) bzw. die Fernsehserie Rome des amerikanischen Bezahlsenders HBO (2005). Auch in der Außenperspektive wird Amerika von Historikern und Zeitbeobachtern seit je mit dem Imperium Romanum in Verbindung gebracht. Stellvertretend sei Altbundeskanzler Helmut Schmidt genannt, der in seinem Buch Die Mächte der Zukunft von 2004 explizit den Begriff des Imperium Americanum verwendet.
Gleichwohl verbietet sich eine naive Gleichsetzung beider durch zwei Jahrtausende voneinander geschiedener Großmächte, ist überhaupt der Versuch einer Parallelisierung für jeden Gelehrten höchst risikoreich – aus mehreren Gründen: Zunächst einmal handelt es sich um ein fächerübergreifendes, grenzüberschreitendes Thema, für das sich neben der Alten auch die Neuere Geschichte, die Militärhistorie, die Wirtschaftswissenschaften, die Soziologie, die Politologie, die Amerikanistik, die Latinistik und viele Fachrichtungen mehr zuständig erklären könnten. Außerdem liegen geschichtsphilosophische Momente in der Themenstellung: Welche Epochen des römischen Reiches verwendet man als Vergleichsgrundlage? Die Zeit der römischen Republik, den Prinzipat, die Kaiserzeit oder gar die Spätantike? Und weiter: Handelt es sich bei den USA um ein Imperium? Und wenn ja, befindet es sich im Aufstieg oder im Niedergang?
Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass das Thema ‚Großmacht USA’ emotional und ideologisch hochgradig belastet ist – in positiver wie negativer Weise.(5) Als Methode, um der Probleme der Subjektivität und der überbordenden Komplexität zumindest einigermaßen Herr zu werden, wird im Folgenden versucht, eine Übersicht über die Literatur der letzten Jahre zu leisten, in der explizit oder implizit die USA mit dem Imperium Romanum verglichen wird, und dabei deren Hauptpositionen hervortreten zu lassen. Berücksichtigung finden dabei amerikanische wie europäische Ansätze, Sichtweisen neokonservativer amerikanischer think tanks ebenso wie die von Apostaten bzw. Amerika-Skeptikern sowie Thesen von Politikwissenschaftlern, Historikern und Journalisten.
3. Rise or fall? Rom als Paradigma
Edward Gibbons berühmtes Opus „Decline and Fall of the Roman Empire“ erschien in sechs Bänden zwischen 1776 und 1788. Das Werk beschreibt die Geschichte Roms von Kaiser Trajan bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453. Die darin etablierte Auffassung von der Geschichte Roms als Niedergangsphänomen schuf eine Art historiographischen Archetypus, der bis in unsere Tage fruchtbar geblieben ist. So behauptet Glen W. Bowersock: „We have been obsessed with the fall: it has been valued as an archetype for every perceived decline, and, hence, as a symbol for our own fears.“(6) In seinem Essay ‚Del imperio Romano’, der 1942 auf deutsch erschienen ist, behauptet auch Ortega Y Gasset den Paradigmencharakter Roms. Im Unterschied zu Gibbons aber legt er den Fokus nicht auf die Abstiegs-, sondern die Aufstiegsphase des Imperiums: „Die politische Geschichte Roms, seines Wachsens und seiner elastischen Ausdehnung von dem elenden Dörflein, das das Septimontium darstellt, bis zu der kaiserlichen Stadt aus Marmor, ist von einem der Vollendung nahen ansteigenden Rhythmus, dass sie uns nicht als etwas Geschichtliches, sondern Musikalisches erscheint. Wenn man uns diese Geschichte erzählt, wissen wir nicht, ob wir eine Chronik oder eine Symphonie hören. Daher hat sie einen paradigmatischen Wert und ist im tiefsten Sinn des Wortes „klassisch“.(7)
Roms Geschichte kann man als Erfolgs-, aber auch als Niedergangsgeschichte lesen – eine Dichotomie, die es bereits in der Antike gab: Als Erfolgsgeschichte aufgefasst hat sie der Grieche Polybios in seinem Hauptwerk der historiai: Voller Bewunderung stellt er die Ausgewogenheit der römischen Staatsverfassung und die daraus resultierende Stärke Roms heraus. Als Niedergangsgeschichte dagegen fasst sie zu Cäsars Zeiten der Geschichtsschreiber Sallust auf - in der sog. Archaeologia Romana seiner Monographie über die catilinarische Verschwörung.
Unter beiden gegensätzlichen Perspektiven wird gegenwärtig die Rolle der Großmacht USA verhandelt: Ist Amerika eine Macht im Aufstieg, oder sind die USA bereits im Niedergang begriffen? Bei dieser Frage handelt es sich vorwiegend um eine inneramerikanische Debatte, die sich in zwei Lager teilen lässt: in die sog. ‚Triumphalisten’, die allerdings mit dem Zusammenbruch des amerikanischen Finanzsystems und der Abwahl der republikanischen Regierung einen gewaltigen Dämpfer erlitten haben, und in die sog. ‚Deklinisten’, die sich durch die Krise Ende des Jahres 2008 schneller als erwartet im Recht wähnen durften – allerdings wird man die grundsätzliche Frage, an welcher Stelle ihrer Geschichte sich die USA befinden, nicht aus dem verkürzten Tagesblickwinkel heraus beantworten können, sondern wird in zeitlich größeren Dimensionen denken müssen. Daneben gilt es auch die vorwiegend außeramerikanischen Positionen zu diesem Thema zu berücksichtigen, die unter der Rubrik ‚Analytiker’ zusammengefasst werden.
Bevor diese Positionen im Einzelnen entfaltet werden, seien einige besonders augenfällige Parallelen zwischen dem Imperium Romanum und der (noch immer) bedeutendsten Großmacht unserer Tage skizzenhaft dargelegt.(8)
1. Multiethnische Gesellschaft
Rom absorbierte wie die USA Menschen verschiedener Nationen und Glaubensrichtungen und verlieh ihnen das Bürgerrecht. Das seit 1782 bestehende Staatssiegel der USA trägt die programmatische lateinische Inschrift E pluribus unum, eine Formel, die auch auf alle amerikanischen Münzen geprägt ist. Sie drückt aus, was mit der Metapher des Schmelztiegels, des melting pot, gemeint ist: Der Glaube, dass Einwanderer aus allen Ländern der Welt mit den unterschiedlichsten Sprachen, Kulturen, Glaubensrichtungen und Hautfarben zu einer Nation von Amerikanern verschmelzen(9) – ein zukunftsweisendes Zeichen diesbezüglich ist die Wahl von Barack Obama zum ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA. Rom hatte, um eine Analogie zu ziehen, mit Septimius Severus im 2. nachchristlichen Jahrhundert einen Kaiser aus Nordafrika.
2. Arm-Reich-Gefälle
Bekannt ist die prägnante und desillusionierte Soziallehre des Epigrammatikers Martial, die das gewaltige Gefälle von Arm und Reich in der römischen Kaiserzeit beschreibt:
Semper pauper eris, si pauper es, Aemiliane:
dantur opes nullis nunc nisi diuitibus.(10)
Dieser Prozess der zunehmenden Verarmung weiter Schichten zugunsten der Bereicherung einer kleinen Elite an der Spitze der Gesellschaft ist typisch auch für Amerika in den letzten Jahrzehnten geworden. Emmanuel Todd zieht explizit die Parallele zum kaiserzeitlichen Rom: „Im Zeitraum von 1970-2000 durchliefen die Vereinigten Staaten einen Prozeß der gesellschaftlichen Polarisierung ähnlich dem in Rom. Auf der einen Seite bildete sich eine Plutokratie heraus, auf der anderen Seite wuchs die Plebs, eine Plebs in dem Sinne, wie sie im römischen Kaiserreich bestand.“(11)
3. Die Schaffung globaler Strukturen
Rom wie die USA haben in ihren jeweiligen Einflussbereichen einheitliche Maßstäbe in verwaltungstechnischer, ökonomischer und kultureller Hinsicht geschaffen. Dabei lassen sich die von den Römern geschaffenen Infrastrukturen wie das weitverzweigte Straßennetz und das in seiner Schnelligkeit bis zum Aufkommen der Eisenbahn unerreichte Postsystem des cursus publicus mit der weltumspannenden Computertechnik amerikanischer Provenienz wie Microsoft, Apple, Google etc. in ihrer zeit- und raumverkürzenden Qualität vergleichen. Es genügt, mit dem Stichwort der Romanisierung an die kulturelle Hegemonie der Römer in den Provinzen zu erinnern. In der Moderne hat die US-Kultur die weltweite Deutungshoheit inne: Man denke nur an die in vielen Ländern nachgeahmten amerikanischen Fernsehformate, das ubiquitäre Hollywood-Kino, global agierende Firmen wie CocaCola oder McDonalds, an das Phänomen der auch in Europa heimisch gewordenen Malls u.v.m. – die Liste der Beeinflussungen reicht bis hinauf in die Politik - seit einigen Jahren orientieren sich europäische Wahlkämpfer an amerikanischen Campaigning-Strategien.(12)
4. Militärische Übermacht
Wie die Amerikaner heute hatten die Römer die besttrainierte Armee ihrer Zeit, den größten Militärhaushalt und die beste Ausrüstung. Die amerikanischen Militärausgaben machen ein Drittel der Militärausgaben weltweit aus. Im Jahr 2009 soll der US-Militärhaushalt bei 515 Milliarden Dollar liegen – zum Vergleich: China gab 2008 offiziell Militärausgaben von 61 Milliarden Dollar an(13); selbst wenn die Ausgaben nach Expertenschätzungen dreifach so hoch gewesen wären, bedeuteten sie nur einen Bruchteil des amerikanischen Budgets. Wie die Römer in ihren Provinzen Hunderte von Militärlagern zur Sicherung ihres Territoriums hatten, so gibt es weltweit ungefähr 725 amerikanische Militärbasen, mit denen die USA die Kontrolle über geostrategisch wichtige Weltregionen ausüben.
5. Die Propaganda der Unbezwingbarkeit
Die Gladiatorenspiele des Kolosseums hatten neben ihrer systemaffirmierenden Funktion der Unterhaltung und Ablenkung breiter Massen auch die Aufgabe, nach innen und außen die Kampfbereitschaft, Härte und Unbezwingbarkeit der Römer zu kommunizieren. Eine vergleichbare Funktion scheinen die Fernsehreportagen über US-Militäroperationen und martialische Heldenfilme Hollywoods zu übernehmen, die nicht selten vom Pentagon, dem amerikanischen Verteidigungsministerium, unterstützt werden. Sie alle eint dieselbe Botschaft: This empire is too tough to beat.
6. Die zentrale Funktion der Technologie
Die Straßen waren für Rom zunächst aus militärischen Gründen wichtig. Schnell konnte man Truppen in alle Gebiete des Reichs schicken. Allmählich wurden die Straßen zu wichtigen Handelsrouten. Was ursprünglich eine militärische Innovation war, wurde bald zu ökonomischen Zwecken genutzt. Eine moderne Entsprechung ist das Internet, das, ursprünglich vom Pentagon zu militärischen Zwecken konzipiert, heute als vorwiegend kommerzielles Medium fungiert und weltweit das Englische zur lingua franca macht, wie es das Lateinische nicht zuletzt durch das weitreichende Straßennetz Roms war.
7. Die Wichtigkeit der sog. soft power
Wie Rom wissen die USA, dass neben der sog. hard power (Einsatz militärischer Gewaltmittel bzw. ökonomische Sanktionen zur Erreichung politischer Ziele) auch die soft power(14) (Diplomatie, Entwicklungshilfe, Kulturtransfer) eine wichtige Rolle spielt. Tacitus bemerkte, dass die Einwohner Britanniens römische Kulturgüter wie die Toga, die Thermen und die Hypokaustenheizung schätzen gelernt hatten:
Inde etiam habitus nostri honor et frequens toga; paulatimque discessum ad delenimenta vitiorum, porticus et balinea et conviviorum elegantiam. Idque apud imperitos humanitas vocabatur, cum pars servitutis esset.(15)
Kritisch weist Tacitus auf das Abhängigkeitspotenzial des von Rom ausgehenden Zivilisierungsprozesses hin – nicht römische Uneigennützigkeit, sondern Macht- und Geldkalkül stecken hinter den scheinbaren Wohltaten der Großmacht. Damit äußert er sich so, wie moderne Kulturkritiker ein Überschwemmen internationaler Märkte mit amerikanischen Produkten wie Starbucks-Kaffee, Coca-Cola und McDonald's und die Gefahr einer globalisierten Einheitskultur unter amerikanischen Vorzeichen konstatieren.
8. Die Technik indirekter Herrschaft
Sowohl Rom als auch die USA setzen auf lokale Eliten und Politiker, die ihre Interessen vor Ort befördern: Als Beispiel könnte man den britischen Vasallenkönig Tiberius Claudius Cogidumnus(16) aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert aufführen. Er wurde wie der spätere Cheruskerfürst Arminius in Rom erzogen und kehrte nach Sussex als römische Marionette zurück. Beim Aufstand der Boudicca 60 n. Chr. gegen die römische Besatzung verhielt er sich loyal gegenüber der römischen Besatzungsmacht, wie Tacitus berichtet:
Quaedam civitates Cogidumno regi donatae (is ad nostram usque memoriam fidissimus mansit), vetere ac iam pridem recepta populi Romani consuetudine, ut haberet instrumenta servitutis et reges.(17)
Als Beispiele für indirekte US-Herrschaft wird man v.a. an Schah Reza Pahlewi im Iran denken, den der damalige US-Außenminister Henry Kissinger als „Säule der Stabilität in dieser unruhigen und wichtigen Region“(18) lobte, oder Chiles ehemaligen Präsidenten Augusto Pinochet, der mit Hilfe Amerikas am 11. September 1973 einen Putsch gegen die demokratische Regierung durchführte, um Amerikas Vorstellungen von Ökonomie umzusetzen.(19)
9. Frühere Proteges als spätere Gegner
Diese Politik indirekter Herrschaft kann aber auch dramatisch fehlschlagen, wie der Fall des in Rom erzogenen Arminius zeigt, der den Römern in der Teutoburger Schlacht 9 n. Chr. eine verheerende Niederlage beibrachte und letztlich zur Aufgabe der Idee führte, Germanien zur Provinz zu machen. Als moderne Parallele drängt sich auf der beim US-Geheimdienst CIA ausgebildete saudiarabische Prinz Osama bin Laden, auf dessen Konto der Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon gehen dürfte. Nicht zu vergessen sind auch die Taliban, die zu Zeiten der sowjetischen Besetzung Afghanistans von den USA mit Waffen unterstützt wurden und heute gegen die einstigen amerikanischen Verbündeten Krieg führen.(20)
10. Rückstoßeffekte
Der Ostasienexperte Chalmers Johnson hat ein ganzes Buch mit dem Titel Blowback – zu deutsch ‚Rückstoßeffekte’ - verfasst, in dem er die Reaktionen der Welt auf die unilaterale Außenpolitik der Regierung Bush jun. beschreibt.(21) Als bedeutendster blowback ist ohne Zweifel der Terroranschlag vom 11.09.2001 anzusehen. Der Althistoriker Jeremy Paterson von der Newcastle University vergleicht Nineeleven mit der sog. ‚Blutvesper’ von Ephesos, als Mithridates, der König von Pontus, im Jahre 88 v. Chr. 80000 Römer und Italiker in den Städten Kleinasiens umbringen ließ und so die römische Provinz Asia nahezu auslöschte: „The Romans were incredibly shocked by this. It's a little bit like the statements in so many of the American newspapers since September 11: 'Why are we hated so much?'(22) Im antiken Beispiel hatte der Hass auf die römischen Steuerpächter (publicani), die die Bevölkerung ausgepresst hatten, eine große Rolle gespielt – im Falle des Anschlags auf das World Trade Center und das Pentagon lassen sich nur Vermutungen anstellen. Immerhin zielte der Anschlag auf zwei Symbole bzw. Institutionen des amerikanischen Selbstverständnisses, die weltweit ihren Einfluss geltend machen, auf das Herz des globalisierten amerikanischen Wirtschaftssystems und die Zentrale der ebenso global agierenden US-Armee.
11. Die Konstruktion einer mythischen Vergangenheit
Die Mythologisierung der eigenen Vergangenheit ist eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Rom und den USA. Wie Aeneas als mythischer Stammvater der Römer galt, so gelten die Präsidenten George Washington und Thomas Jefferson als Gründungsväter der USA und als Heroenfiguren der Westbesiedelung, die fast kultischen Status genießen: Die Hauptstadt der USA trägt – wie ein mythologisches Aition – den Namen George Washingtons. Ebendort steht das Jefferson Memorial, das dem römischen Pantheon nachempfunden ist. Für beide Nationen ist die jeweilige Staatsentstehung kein Zufall, sondern Ausweis einer historischen Bestimmung.
12. Saeculum-Denken und Sendungsbewusstsein:
a) Saeculum-Denken
Kaiser Augustus reklamierte mit seiner Herrschaft den Beginn einer neuen Epoche, eines goldenen Zeitalters des Friedens. Der Dichter Horaz komponierte für die ludi saeculares des Jahres 17 v. Chr. das carmen saeculare als Festlied zur offiziellen Ausrufung des neuen Säkulums. Dieses Denken, dass ein neues Zeitalter anbricht, wird auf dem US-Dollar aufgegriffen. Auf seiner Rückseite findet sich ein rundes Siegel, das eine dreizehnstufige Pyramide zeigt, deren Spitze das Auge Gottes bildet. Unterhalb der Pyramide findet sich das lateinische Spruchband Novus Ordo Seclorum, das die Wortwahl der 4. Ekloge Vergils aufgreift:
Magnus ab integro saeclorum nascitur ordo
Iam redit et virgo, redeunt Saturnia regna,
Iam nova progenies caelo demittitur alto.(23)
Diese Ekloge ist v.a. deshalb berühmt, weil sie in der interpretatio Christiana als Ankündigung der Geburt des Christuskindes aufgefasst wurde. Tatsächlich dürfte Vergil mit ihr die durch Octavian herbeigeführte Wiederkunft des goldenen Zeitalters und des Friedens nach fast einem Jahrhundert römischer Bürgerkriege gepriesen haben. Dem Gestalter der Dollarnote schien das Vergilfragment jedenfalls geeignet zu sein, die Staatsgründung Amerikas als vergleichbar emphatischen Neubeginn zu orchestrieren: In Analogie zu Vergils Ekloge bricht mit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika 1776 ein neues Zeitalter an, eine Ära, in der die angeborenen Menschenrechte wie Freiheit, Chancengleichheit und Streben nach Glück (pursuit of happiness) eine Selbstverständlichkeit sein sollten - in klarer Distanzierung zur „Alten Welt“ Europa, der man Tyrannei, Despotismus und soziale Ungerechtigkeit nachsagte.
b) Sendungsbewusstsein
Eine weitere interessante Parallele betrifft das Sendungsbewusstsein beider Großreiche: US - Präsident George Bush hielt anlässlich des Jahrestages der Terroranschläge vom 11.09. 2001 eine Rede im Pentagon vor Soldaten und Offizieren.(24) Er erinnert zunächst an die Opfer des Flugzeugabsturzes auf das amerikanische Verteidigungsministerium, führt erste Erfolge bei der Terrorismusbekämpfung an und äußert seinen Stolz auf die US-Truppen. Dann fährt er fort:
„Wherever our military is sent in the world, you bring hope and justice and promise of a better day. You are worthy of the traditions you represent, the uniform you wear, the ideals you serve.(…) We fight as Americans have always fought, not just for ourselves, but for the security of our friends, and for peace in the world. (…) We fight to protect the innocent, so that the lawless and the merciless will not inherit the earth. (…) We ask God to bring comfort to every home where they are loved and missed. And on this day, and on every day, may He watch over the United States of America. God bless. (Applause.)”(25)
Man halte zum Vergleich die Vergilverse daneben, die Suerbaum „geradezu (als) das nationale Credo der Römer”(26) bezeichnet hat:
tu regere imperio populos, Romane, memento
(hae tibi erunt artes), pacique imponere morem,
parcere subiectis et debellare superbos.
Die direkte Ansprache des tu entspricht dem wiederholten You in Bushs Rede; der von Bush apostrophierte Schutz Unschuldiger (We fight to protect the innocent) als Rechtfertigung militärischer Gewalt erinnert an das parcere subiectis. Die im Ton alttestamentarisch eingefärbte Phrase, dass die Gesetz- und Gnadenlosen sich der Erde nicht bemächtigen werden (so that the lawless and the merciless will not inherit the earth), korreliert mit dem Grundsatz des vergilischen debellare superbos. Die Zukunftsgerichtetheit der Bush-Rede (promise of a better day) verhält sich ganz analog zur prophetisch-futurischen Bestimmung des römischen Volkes:
hae tibi erunt artes. Auch die Selbststilisierung Amerikas als Garant für Sicherheit und Frieden in der Welt hat ihr Pendant im vergilischen pacique imponere morem. Hier soll nicht unterstellt werden, George Bush bzw. sein Ghost Writer hätten Vergils Verse benutzt. Frappierend aber ist, wie sehr sich über zwei Jahrtausende hinweg die Tonlage beider Äußerungen gleicht.
Als Triumphalisten werden hier amerikanische Intellektuelle verstanden, die im Rausch des Hochgefühls der Überlegenheit ihrer Nation insbesondere zu Zeiten der Bush-Administration die absolute Dominanz Amerikas in der Welt einforderten und dabei Vergleiche mit dem alten Rom nicht scheuten. Stellvertretend für viele sei Charles Krauthammer genannt, ein Journalist, den man als Hohepriester der Triumphalisten bezeichnen könnte. Die USA apostrophierte er im Jahre 2001 als „dominant power in the world, more dominant since any than Rome“. Das vollständige Zitat lautet in deutscher Übersetzung: „Amerika ist kein gewöhnlicher internationaler Bürger. Es ist die dominante Macht in der Welt, dominanter als jede seit Rom. Daraus folgt, dass die USA in der Lage sind, Normen neu zu definieren, Erwartungen zu verändern und neue Realitäten zu schaffen. Wie? Durch die offensiven und unerbittlichen Demonstrationen ihres Willens.“(28) Aus der Selbstapostrophierung als mächtigstes Imperium seit der Antike leitet Krauthammer das Recht ab, mit dem Hammer zu philosophieren; seine Haltung kann als das amerikanische Pendant zum römischen Tu regere imperio Romane memento verstanden werden. Ganz entsprechend war er ein Befürworter der amerikanischen Invasion im Irak 2003 und versuchte darüber hinaus, in einem Zeitungsartikel einen Präventivkrieg auch gegen den Iran zu propagieren.(28) Krauthammer gehört zu den sog. Neokonservativen, deren Ideologie im Folgenden zumindest in Grundzügen skizziert wird.
a) Die Neokonservativen
Der Neokonservatismus stellt seit den 1940er Jahren eine spezifische Denkrichtung zwischen Liberalismus und Konservatismus dar. A. Reichwein umreißt ihren ideologischen Nukleus: „Den Kern dieser Ideen bildet die Überzeugung, dass die amerikanische Demokratie die attraktivste und überlegene Gesellschaftsform ist, und dass die „amerikanischen“ Werte von Freiheit und Demokratie universal sind. (...) Zwei der wichtigsten außenpolitischen Ziele sind die Demokratisierung anderer Staaten und die weltordnungspolitische Führungsrolle der Vereinigten Staaten. Die Neokonservativen zeichnen sich dabei durch eine militärische Konfrontationsbereitschaft und einen Interventionismus aus. Die Verbreitung von Demokratie und Freiheit in der Welt erachten sie als politische Bestimmung und moralische Mission Amerikas, womit ein missionarisches Sendungsbewusstsein einhergeht.“(29) An anderer Stelle wird Reichwein deutlicher, wenn er die Neokonservativen einer „machiavellistische(n) und kriegerische(n) Machtpolitik“ zeiht.(30)
Die Denker der sog. ersten Generation, zu denen Irving Kristol und Norman Podhoretz zählen, übten v.a. in der Regierungszeit Ronald Reagans starken Einfluss auf die amerikanische Außenpolitik aus und verfochten einen radikalen Antikommunismus, der sich gegen die Sowjetunion richtete. Zur zweiten Generation zählen Charles Krauthammer, Robert Kagan und William Kristol. Ihr Einfluss wuchs zur Regierungszeit von George Bush jr. besonders unter dem Einfluss der Terroranschläge vom 11.09.2001. Sie sind als die geistigen Architekten des „war on terror“ und des 2003 unter der Bush-Administration begonnenen Irakkrieges zu sehen. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte diese Gruppe im radikalen Islam ein neues Feindbild gefunden, der ihrer Ansicht nach als Bedrohung für den Westen letztlich militärisch bekämpft werden musste.(31)
b) Imperiales Säkulumdenken im ‚Project for the new American century’ (PNAC)
William Kristol, Herausgeber des 1995 gegründeten und von Rupert Murdoch finanzierten konservativen Weekly Standard(32), ist auch Vorsitzender des PNAC (Project for the new American century), einer neokonservativen Denkfabrik, in der sich viele Mitglieder der Bush-Regierung wie Vizepräsident Dick Cheney oder der ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld befanden und die als treibende Kraft des Irak-Krieges zu sehen ist: Ihr zentrales Projekt war die gewaltsame Amtsenthebung des Diktators von Bagdad mit dem Ziel, den Irak zu demokratisieren. Danach, so die idealistische Dominotheorie, werde die ganze Region von der Attraktion der Demokratie ergriffen. Schon in seinem Namen verrät das ‘Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert’ ein imperiales Saeculum-Denken. Von William Kristol ist der Ausspruch überliefert: „If people want to say we’re an imperial power, fine.“(33) Schon der erste Satz des im Internet nachlesbaren Programms kündet in aller Deutlichkeit vom weltumspannenden Geltungsanspruch der USA nach neokonservativer Facon: „The Project for the New American Century is a nonprofit, educational organization whose goal is to promote American global leadership.”(34)
c) Robert Kagans Schrift „Power and Weakness“
Robert Kagan ist ein der neokonservativen Ideologie zuneigender amerikanischer Politikberater, der im Jahre des Irakkrieges 2003 mit seinem Pamphlet „Power and Weakness“(35) Stimmung gegen die zögerliche Haltung einiger europäischer Staaten machte, sich mit ihren Truppen am Feldzug gegen den Irak zu beteiligen. Der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unterschied entsprechend zwischen einer „coalition of the willing“ und andererseits dem von ihm verächtlich gebrandmarkten „Old Europe“ der Kriegsdienstverweigerer.
Vor dem Hintergrund dieser Stimmungslage entfalten sich Kagans Ausführungen: Amerikanische und europäische Auffassungen seien diametral entgegengesetzt.(36) Europa lebe in einer selbstzufriedenen Welt der Gesetze und transnationalen Geschäftemachens und habe sich in einem posthistorischen Friedensparadies und relativem Wohlstand bequem eingerichtet. Europa leiste es sich, als Nutznießer des amerikanischen Militärschirms nur bescheidene Mittel für die eigene Verteidigungsfähigkeit auszugeben. Es lebe traumtänzerisch Kants Ideal des Ewigen Friedens, den die USA dank ihres Militärapparates garantieren. Die Tragik Amerikas bestünde darin, Europa ein posthistorisches Friedensparadies zu ermöglichen, selbst aber in einer anarchistischen Hobbeschen Welt des bellum omnium contra omnes für Ordnung sorgen zu müssen, mithin der Geschichte ausgeliefert zu bleiben. Als Ausgleich für dieses Missverhältnis gibt es für Kagan nur eine Konsequenz: Europa und der Rest der Welt müsse ohne Wenn und Aber die Vormacht- und Sonderstellung Amerikas akzeptieren. Am Ende seines Essays zieht Kagan folgendes Fazit: „Americans are powerful enough that they need not fear Europeans, even when bearing gifts.“ Es handelt sich dabei natürlich um eine Anspielung auf den berühmten Vers, den der vergilische Laokoon angesichts des Hölzernen Pferdes vor Troia spricht: timeo Danaos et dona ferentes(37). Mit diesem affektgeladenen impliziten Vergleich lässt Kagan die Amerikaner als Troianer erscheinen, die von den betrügerischen Griechen - Europäern ein troianisches Pferd untergeschoben bekommen sollen, nämlich den Primat der Diplomatie vor den Waffen. Darauf allerdings müsse sich Amerika als Riese Gulliver gegenüber den europäischen Liliputanern nicht einlassen.(38) Diese triumphalistische Bemerkung Kagans unter Zuhilfenahme des Personals der Satire Jonathan Swifts macht deutlich, wie Kagan das wahre Machtverhältnis zwischen den USA und Europa definiert wissen will.
d) Resümee
Allen Triumphalisten gemeinsam ist das große Selbstbewusstsein, mit dem die Rolle der USA als neues Imperium Romanum gesehen wird und entsprechend Forderungen an den Rest der Welt stellen kann. Vor diesem ideologischen Hintergrund werden die unilateralen Alleingänge der amerikanischen Außenpolitik unter George Bush jr. besser verständlich. Was das Weiterwirken der Neokonservativen angeht, sollte man sich auch nach der Wahl des demokratischen Präsidenten Barack Obama keinerlei Illusionen hingeben, wie A. Reichwein bemerkt: „Die Neokonservativen (...) werden auch in Zukunft über ihre Medien, Denkfabriken und durch ihre Präsenz und Prominenz in der akademischen Welt nach Einflussnahme auf die Debatten und Entscheidungen in der US-Außenpolitik streben.“(39)
Unter der Rubrik ‚Deklinisten’ sollen die Denker subsumiert werden, die man auch als Theoretiker des Niedergangs Amerikas bezeichnen könnte, Intellektuelle, die den USA eine düstere Zukunft aufgrund ihrer Verfehlungen prophezeien. Ihre Abgesänge auf Amerika bilden das pessimistische Komplementärstück zu den Jubelarien der neokonservativen Triumphalisten – wie diese sind auch ihre Analysen sämtlich in der Regierungszeit von George Bush jr. entstanden und müssen in ihrer oft apokalyptischen Schärfe vor diesem Hintergrund gelesen werden.
a) Jane Jacobs: ‘Dark Age Ahead’
Jane Jacobs (1916-2006) war eine bekannte amerikanische Stadtsoziologin, die zwei Jahre vor ihrem Tod mit dem Buch Dark Age Ahead Nordamerika eine düstere Prognose stellt. Unter dark age versteht die Geschichtswissenschaft einen Zeitraum, über den Historiker aufgrund fehlender schriftlicher und archäologischer Zeugnisse keine seriösen Aussagen treffen können, etwa die Epoche nach dem Untergang des weströmischen Reiches, an deren zivilisatorischen Rückschritt Jane Jacobs erinnert: „... old Roman cities and towns were largely deserted and their underpopulated remnants sank into poverty and squalor; their former amenities, such as public baths and theatrical performances, became not even a memory. (...) Diets changed, with gruel displacing bread, and salt fish and wild fowl almost displacing domesticated meat.“(40)
Einen ähnlichen Kulturkollaps prophezeit sie der amerikanischen Gesellschaft, wenn sie weiterhin zulasse, dass die wesentlichen Grundpfeiler (pillars) ihrer Zivilisation geschliffen würden, die sie in den Bereichen Familie, höhere Bildung, Steuerpolitik und Ausrichtung der Wissenschaft sieht. Verantwortlich für den Niedergang auf all diesen gesellschaftlichen Feldern macht sie einen ubiquitären Ökonomismus und eine Politik, die v.a. die Interessen der wohlhabenden Schichten berücksichtigt.
b) Chalmers Johnsons Buchtrilogie über den Niedergang Amerikas
Chalmers Johnson ist emeritierter US-Professor für Politikwissenschaften, gilt als einer der profiliertesten Asienexperten und leitet das Japan Policy Research Institute in San Francisco. In den Jahren von 2001-2007 verfasste er eine Trilogie(41), die das düstere Bild eines Amerika zeichnet, das seit den Terroranschlägen vom 11.09.2001 eine Metamorphose zum Imperium durchlaufen habe, auf Militarismus und „ökonomischen Kolonialismus“ setze und „auf dem Weg zu einem neuen Rom“ sei, wie ein Kapitel des Buches The Sorrows of Empire. Militarism, secrecy and the end of the Republic überschrieben ist. Explizit behauptet Johnson, dass es ein amerikanisches Imperium gäbe, ohne dass dies den US-Bürgern selbst bewusst werde. Die Anschläge von 9/11 hätten „einen gefährlichen Wandel im Denken einiger amerikanischer Führer ausgelöst, die seitdem dazu neigen, unsere Republik als ein echtes Imperium zu betrachten, als ein neues Rom, als das mächtigste Reich in der Menschheitsgeschichte. (...) Die Vereinigten Staaten sind nicht das, was sie zu sein vorgeben, sie sind in Wahrheit ein militärischer Moloch, der sich die Welt unterwerfen will.“(42) Auch wenn man Johnsons alarmistische Wortwahl als Reaktion auf die stramme Ideologie der Bush-Administration zurückführt, sprechen die Zahlen für sich, die J. Laxer in seinem Buch Imperium nennt: „Die Vereinigten Staaten geben derzeit 500 Milliarden Dollar im Jahr für ihren Militärapparat aus; das ist soviel, wie die 16 nächstplazierten Länder zusammen dafür aufwenden. Das bedeutet im Grunde: Die Militärausgaben der USA sind beinahe so hoch wie die aller anderen Länder der Welt zusammengenommen.“(43)
Wenig später vergleicht Johnson explizit die USA mit dem spätrepublikanischen Rom an der Grenze zum Prinzipat: Wie der römische Senat sei auch der US-Senat zum bloßen Debattierclub herabgesunken, zum Absegnungsorgan kaiserlicher bzw. präsidentieller Macht. „Rom herrschte, nicht unähnlich den USA heute, über die gesamte bekannte Welt mit Ausnahme Chinas, doch in dem Prozess wurde die Demokratie durch eine Diktatur ersetzt und zuletzt wurde Rom von der Welt voller Feinde, die es erschaffen hatte, vernichtet. Bis zum Ende gaben die römischen Legionen vor, für den Senat und das römische Volk zu kämpfen und marschierten unter Bannern mit den lateinischen Initialen SPQR (Senatus populusque Romanus). Doch die Tage, als der Senat noch Gewicht hatte, lagen lange zurück, das Imperium war längst zum Selbstzweck geworden.“(44)
Johnson zieht weitere Parallelen zum Imperium Romanum: Die durch das Pentagon erfolgte Aufteilung der Welt in fünf Regionalkommandos, denen sog. Commander-in-chiefs (CINC) vorstehen, erinnerten stark an das Modell der römischen Provinzstatthalter: „Die CINC sind am ehesten den römischen Prokonsuln vergleichbar, mit dem gewichtigen Unterschied allerdings, dass jene Männer, die in der römischen Republik mit diesem Amt betraut wurden, zuvor bereits die höchste Machtposition im Reich innegehabt hatten, das Amt des Konsuls.“(45) Johnson sieht ein Problem dieses Systems darin, dass die CINC in ihren Regionen einflussreicher geworden sind als die zuständigen amerikanischen Botschafter: „Die Außenpolitik regionalen Prokonsuln zu überlassen, fördert den Militarismus, denn diese bedienen sich automatisch militärischer Mittel, um außenpolitische Ziele zu erreichen.“(46) Als weitere Indizien eines imperialen Selbstverständnisses der USA sieht Johnson den Wandel der Wehrpflicht- zur Berufsarmee und den kolonialen Brauch, „eigene Soldaten durch lokales Kanonenfutter“ zu ersetzen,(47) wie die Mudschaheddin, die man in Afghanistan als Widerstandskämpfer gegen die russischen Besatzer stark gemacht hat, und nicht zuletzt das „Imperium der amerikanischen Militärbasen“(48) auf der ganzen Welt. Angesichts der von ihm geschilderten Verfasstheit des US-Kongresses als Forum der Partikularinteressen von Hochfinanz und Militär gibt sich Johnson keinen Illusionen hin und beendet sein Buch mit einer düsteren Prophezeiung: „In diesem fortgeschrittenen Stadium ist es schwer vorstellbar, wie der Kongress, ähnlich wie der römische Senat in den letzten Tagen der Republik, zu neuem Leben erweckt und von all den Verderbtheiten gereinigt werden könnte. Unterlassen wir jedoch diese Veränderungen, wird sich Nemesis, die Göttin der Vergeltung und der Rache, die Hochmut und Hybris bestraft, voller Ungeduld auf ihre Begegnung mit uns vorbereiten.“(49)
c) Emmanuel Todd: ‚Weltmacht USA. Ein Nachruf’
E. Todd ist ein französischer Historiker, der am Nationalen Institut für Bevölkerungsstudien in Paris arbeitet. Bereits 1976 sagte er in seinem Buch Der Sturz. Das Ende der Sowjetherrschaft den 1991 tatsächlich erfolgten Zusammenbruch der Sowjetunion vorher. In seinem Buch Weltmacht USA. Ein Nachruf (2003) stellt er die These auf, dass die einstige Supermacht USA sich im Niedergang befände. Amerika ginge es darum, sich die politische Kontrolle über die weltweiten Ressourcen zu sichern. Längst seien die USA von der Welt abhängiger als umgekehrt – und um das zu kaschieren, setze die Bush-Regierung darauf, asymmetrische Showkriege gegen relativ unbedeutende Staaten (die sog. ‚Achse des Bösen’) zu inszenieren, um die Regierungen der Verbündeten zu verblüffen - Todd spricht in diesem Zusammenhang von „theatralischem Mikromilitarismus“(50).
Bei seinem historischen Durchgang wählt er den Vergleich mit Rom: Die Macht der USA nach dem 2. Weltkrieg habe der Machtfülle Roms nach den Punischen Kriegen entsprochen. Wie Rom nach dem entscheidenden Sieg über Karthago bald über den gesamten Mittelmeerraum geherrscht habe, so habe sich die USA mit Deutschland und Japan zwei Wirtschaftsriesen einverleibt und wie Rom die Ressourcen aus der Welt ins Zentrum seiner Macht geleitet. „In seiner gesamten Einflusssphäre schöpfte es Geld ab, und damit konnte es in großem Umfang Lebensmittel und sonstige Waren importieren. Die Handwerker und Bauern in Italien selbst waren in der durch die politische Herrschaft Roms global gewordenen Wirtschaft des Mittelmeerraums nicht mehr wichtig. Die Gesellschaft polarisierte sich: auf der einen Seite die ökonomisch bedeutungslose Masse, ihr gegenüber eine räuberische Plutokratie. Eine mit Reichtümern übersättigte Minderheit herrschte über ein in Armut verelendendes Proletariat. Die Mittelklasse konnte sich dazwischen nicht behaupten, und das bedeutete das Ende der Republik und die Errichtung des Kaiserreichs.“(51) Im Kapitel „Die imperiale Deformation der amerikanischen Gesellschaft“ zeigt Todd auf, wie es in den USA von 1970-1990 zum Abstieg der Industrie und zur Verelendung der Arbeiterschaft in den USA gekommen ist. Diese Zustände erinnerten daran, „wie es der Schicht der Bauern und Handwerker in Rom erging: Sie wurde durch den Zustrom von landwirtschaftlichen Produkten und Waren aus aller Art aus Sizilien, Ägypten und Griechenland weitgehend zerstört.“(52) Während diese Schicht zur abhängigen plebs herabsinkt, kommt es zu einem sagenhaften Reichtumszuwachs der Eliten: „Im Zeitraum von 1970-2000 durchliefen die Vereinigten Staaten einen Prozeß der gesellschaftlichen Polarisierung ähnlich dem in Rom. Auf der einen Seite bildete sich eine Plutokratie heraus, auf der anderen Seite wuchs die Plebs, eine Plebs in dem Sinne, wie sie im römischen Kaiserreich bestand.“(53)
Amerika habe seinen Zenit überschritten, resümiert Todd: Zur wirtschaftlichen Abhängigkeit v.a. von Europa und Japan geselle sich militärische Schwäche, die darin besteht, dass die „Landstreitkräfte nicht in der Lage (sind), den geographischen Raum, aus denen die USA ihre Produkte und ihr Kapital ziehen, unmittelbar zu kontrollieren.“ Außerdem habe Amerika mit dem „Verlust einer universalistischen Betrachtungsweise“ „eine ideologische Ressource verloren, die für ein Weltreich unverzichtbar ist. Ohne die Vorstellung, dass alle Menschen und alle Völker gleich sind, kann Amerika über eine zu groß und zu verschieden gewordene Welt nicht herrschen.“(54) Die alten Römer wussten es laut Todd besser:
„Die Römer erkannten die Überlegenheit der Griechen in Philosophie, Mathematik, Literatur und bildender Kunst an. Die römische Aristokratie übernahm griechische Lebensformen, der militärische Sieger passte sich in vielen Punkten der überlegenen Kultur des besiegten Reiches an. Rom unterwarf sich auch vielen Religionen, und zuletzt sogar einer einzigen Religion aus dem Osten des Imperiums. Die Vereinigten Staaten waren in der Zeit, als sie eine echte Weltmacht darstellten, offen für die Welt um sie herum und respektierten sie. Wohlwollend beobachteten und analysierten sie die verschiedenen Gesellschaften der Erde mit den Mitteln der Politikwissenschaft, der Anthropologie, der Literatur und des Kinos. Der wahre Universalismus bewahrt das Beste aus allen Welten. Die Kraft des Siegers ermöglicht die Verschmelzung der Kulturen. Diese Epoche, in der sich in den Vereinigten Staaten wirtschaftliche und militärische Macht verbanden, scheint lange vergangen. Heute haben wir ein geschwächtes, unproduktives Amerika vor uns, das nicht mehr tolerant ist.“(55) Todd beschließt sein Buch mit folgenden Worten: „Wenn Amerika weiter darauf beharrt, seine Allmacht zu demonstrieren, wird es schließlich der Welt nur seine Ohnmacht enthüllen.“(56)
d) Resümee
Für die drei ausgewählten Autoren der deklinistischen Denkweise Jane Jacobs, Chalmers Johnson und Emmanuel Todd ist der Untergang des römischen Reiches steter Vergleichspunkt. Das dürfte zum einen auf das durch Gibbon etablierte Denkmodell des „Decline and fall of the Roman empire“ zurückgehen, ist aber auch als Antwort auf die triumphalistisch-neokonservative Propaganda von Amerika als dem neuen Rom zu verstehen. Dieser pessimistischen Richtung ließe sich gewiss auch Peter Scholl-Latour zurechnen, wie folgendes Zitat aus seinem Buch Zwischen den Fronten verdeutlicht: „Im Zweistromland, wo der babylonische Großkönig Belsazar die flammende Menetekel-Botschaft an der Wand erkannte, in dieser mythischen Umgebung, wo die Hure Babylon, diese Horrorvision der Apokalypse, auf einem Drachen sitzend, trunken war vom Blut der Heiligen, in einer Weltgegend, wo seit Beginn der Menschheit die Imperien aufblühten und wieder in den Staub versanken, ist es wohl erlaubt, Betrachtungen darüber anzustellen, ob die USA heute noch die ‚indispensable nation’ sind.“(57)
Unter Analytikern werden im Folgenden Gelehrte verstanden, die meist aus europäischer Perspektive und transatlantischer Distanz die USA mit dem alten Rom vergleichen. Diese Gruppe lässt sich untergliedern in Komparatisten, die einen systematischen Vergleich zwischen dem Imperium Romanum und dem Imperium Americanum anstrengen, und Imperiums-Theoretiker, die sich mit der Rolle und der Ideologie von Imperien in Antike und Moderne auseinandersetzen.
a) Peter Bender ‘Weltmacht Amerika. Das Neue Rom’
Der 2008 verstorbene Peter Bender, promovierter Historiker und renommierter Journalist, schrieb 2003 ein Buch(58), in dem er eine Art plutarchisch vergleichendes Modell von Geschichtsschreibung praktiziert, indem er die Viten beider Nationen in genauer Parallelführung nachvollzieht. Bender findet für beide Mächte drei übergeordnete Vergleichsmomente: Rom und Amerika beginnen als Insulaner, erleben ihren Zenit als Welteroberer, um schließlich als neurotische Riesen zu enden.
Insulaner
Rom wie die USA lebten zunächst in insularer Sicherheit, weniger in geographischer als vielmehr in politischer und militärischer Hinsicht. So konnten sie sich zunächst der Okkupation ihrer jeweiligen Inseln widmen: Rom habe Italien nicht aus Eroberungsdrang, sondern aus seinem Sicherheitsbedürfnis heraus erobert, habe Kolonien als Sicherheitsbastionen geschaffen und ein Herrschaftssystem etabliert, das nicht auf Knechtung, sondern auf Gefolgschaft beruhte. Dies begründete seinen Erfolg. Pyrrhus und Hannibal scheiterten, weil sie aus einem stabilem Block von socii kaum Verbündete herauslösen konnten. Die USA ihrerseits verdrängte die europäischen Kolonialisten und betrieb das Programm der Eroberung des Wilden Westens durch Siedlung. Lange Zeit pflegten Rom und die USA die insulare Selbstbeschränkung. Vor dem 1. Punischen Krieg war Rom nur auf den Schutz der eigenen Küsten aus und konnte so im Windschatten der hellenistischen Mächte im Osten zur Großmacht heranreifen. Gleichermaßen betrieb Amerika bis zum 1. Weltkrieg eine Politik des Isolationismus. Erst später begann die Phase insularer Machtentfaltung mit weltgeschichtlichen Folgen. Beide Imperien lagen an der Peripherie - Rom weit westlich vom hellenistischen Osten, die USA weit weg vom dominierenden Europa – und beide schufen eine Umkehrung der Verhältnisse: Der Mittelmeerraum wurde romanisiert, nicht hellenisiert, während sich Amerika von der europäischen Kolonisierung befreite und seinerseits Europa dominierte.
Welteroberer
Der 1. Punische Krieg (264-241) ist ein Wendepunkt für Rom, insofern es von einer Land- zu einer Seemacht wird. Laut Bender spielte für die USA der 1. Weltkrieg eine vergleichbare Rolle, als im Januar 1917 US-Frachter von deutschen U-Booten versenkt wurden und Amerika v.a. wegen der Gefährdung des freien Außenhandels in den Krieg eintrat. So führen Rom und die USA erstmals außerhalb ihrer Insel Krieg, dem eine langsame Eskalation vorausgegangen war, in die beide Mächte mehr hineingeraten als hineingegangen seien. Bender nennt dies den „ersten Schritt übers Meer“. Danach kam es zu einer Phase des Rückzugs auf die Insel, in der Rom Karthago gewähren ließ und die Annexion Spaniens hinnahm, so wie Amerika sich nach 1. Weltkrieg zurückzog und Hitlers Machtergreifung 1933 isolationistisch zusah.
Ein „zweiter Schritt über das Meer“ wurde für Rom unausweichlich, als Hannibal mit der Überquerung des Ebro 218 die Eroberung Spaniens zu Ende führen wollte und damit den 2. Punischen Krieg auslöste, während die USA aus Angst vor einem von Hitler und Japan dominierten totalitären eurasischen Block, ausgelöst durch den japanischen Angriff auf Pearl Harbour in den 2. Weltkrieg eintrat. Auch wenn der 2. Punische Krieg und der 2. Weltkrieg unvergleichbar seien, gäbe es doch Parallelen, insofern beide Kriege mit Gegnern außerhalb des eigenen Landes die verlustreichsten für Rom und die USA waren und beide Nationen danach zur ersten Weltmacht ihrer Zeit aufstiegen. Der nächste Schritt bestand in der „Besetzung der Gegenküsten“, um die eigene Sicherheit zu stärken: Wie Rom mit dem Sieg über König Philipp von Makedonien im Jahre 197 v. Chr. Makedonien als Herrschaftsmacht über Griechenland abgelöst und mit Griechenland eine Pufferzone gegen etwaige Bedrohungen aus dem Osten geschaffen hatte, sanierte Amerika mit Deutschland und Japan die Gegenküste, um einen Sog in den kommunistischen Ostblock zu verhindern. Rom und die USA waren so zu Garantiemächten aufgestiegen. Schließlich kam es zu den „letzten Kämpfen“: Mit der Schlacht von Magnesia 190 v. Chr. und dem Sieg über den Seleukidenherrscher Antiochus III. wurde der Hellenismus als politische Erscheinung ausgelöscht - Rom war endgültig zur letzten verbliebenen Großmacht aufgestiegen, vergleichbar der Rolle der USA 1991, als sie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als alleinige Supermacht übrigblieb. Griechen und Westeuropäer litten unter der Arroganz der Großen, während die Imperien Roms und Amerikas sich ihrerseits über die Undankbarkeit der Verbündeten beklagten, die Sicherheit als Aufgabe der Großen ansahen und Waffenhilfe nur auf ausdrückliche Anforderung zu leisten bereit waren.
Neurotische Riesen
„Einzige Weltmacht zu sein ist eine Charakterprobe ohne Beispiel: Vorsicht, Einsicht und Rücksicht scheinen kaum mehr nötig. Höchste Verantwortung ist geboten, aber fast jede Willkür ist möglich.“(59) Die schwindelerregende Machthöhe beider Nationen blieb nicht ohne Folgen. Bender charakterisiert diese Phase als Brutalisierung und selbstherrliche Zwecklosigkeit, wie sie sich im Falle Roms in der Vernichtung der Städte Korinth, Numantia und Karthago zeigte, im Falle der USA mit dem Einmarsch in den Irak und Afghanistan im Gefolge der Terroranschläge vom 11.09.2001. Angst und grenzenlose Übermacht stellten eine explosive Mischung dar: In Rom habe das zur Brutalisierung der Außenpolitik geführt, im Falle der USA zu einer Militarisierung der Außenpolitik.
Antike und Abendland
Im hellsichtigen Schlusskapitel seines Buches versucht Bender aufzuzeigen, wie sich im Verhältnis zwischen den Römern und den Griechen der Antike die moderne Beziehung zwischen Amerika und Europa spiegle. Habe indes zwischen Römern und Griechen eine Wahlverwandtschaft bestanden, die die vielfältigen römischen Nachahmungen griechischer Kulturleistungen zu erklären in der Lage sei, seien die Amerikaner und Europäer Blutsverwandte. Vor diesem Hintergrund sei es psychologisch verständlich, dass die USA sich wie ein Sohn vom übermächtigen Vater zu lösen bestrebt wären. Zwischen Europa und den USA herrsche ein ähnlich dialektisches Verhältnis wie zwischen den Römern und dem besiegten Griechenland. Auf vielen Gebieten sei Amerika von Europa kulturell abhängig, zugleich aber bestünde eine ständige Spannung zwischen Geist und Macht. Europäer erscheinen den Amerikanern wie den Römern die Graeculi mit ihren kleinlichen Rivalitäten belächelnswert, sodass das amerikanische Bild von Europa zwischen Verehrung und Verachtung oszilliert. Im Lauf der Zeit haben sich die Rollen vertauscht. Der ehemalige Sohn USA ist zum Vater herangewachsen und ermahnt ein unreifes Europa, endlich erwachsen zu werden und seine Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Das Buch endet mit einem versöhnlichen Ausblick. Wie Rom und Hellas zusammen die Antike gestalteten, so macht die gemeinsame Herkunft USA und Europa zu Weggefährten auch in der Zukunft – nicht zuletzt gegen andere Kulturen, die sich gegen den Westen behaupten: „Amerika würde zu einem neuen Rom – nicht durch ein Rom-ähnliches Empire, das es nicht schaffen kann und wohl auch nicht will, sondern weil es die Zivilisation des Abendlandes schützt und gemeinsam mit Europa bewahrt.“(60)
b) Cullen Murphy: Are we Rome?
Cullen Murphy ist amerikanischer Schriftsteller, Journalist und derzeit Herausgeber der Zeitschrift Vanity Fair. In seinem 2007, also in der Endphase der Regierung Bush jr. erschienenen Buch mit dem Titel Are we Rome?(61) strengt Murphy anhand von fünf Kategorien einen Vergleich zwischen den USA und dem alten Rom an. Um das unterschiedliche Vergleichsverfahren Benders und Murphys bildlich zu fassen, könnte man sagen, dass Bender die zwei parallel verlaufenden Flöze USA und Rom linear von Anfang bis Ende beschreibt, während Murphy an fünf ausgewählten Punkten exemplarische Tiefenbohrungen in beide Flöze vornimmt. Seine Vergleichsmomente sind die Hauptstädte (The capitals), das Militär (The legions), die Verwaltungsapparate (The fixers), die Sichtweisen anderer Völker (The outsiders) und die Frage der Grenzen (The borders).
The capitals
Roms und Washingtons politische Elite sei gleichermaßen vom Omphalos-Syndrom befallen, vom Glauben also, den Nabel der Welt zu bilden. Daraus leite man das Recht ab, nur bestimmte Sichtweisen zuzulassen bzw. unliebsame Realitäten auszuklammern. Dieser geschlossene Kreislauf führt zu einer großen Selbstreferentialität, v.a. in der medialen Berichterstattung, in der die Interpretationen des Weißen Hauses im Mittelpunkt stünden, nicht die durchaus differierenden politischen Perspektiven aus aller Welt. Was für Rom die Importe waren, seien für Washington die Kapitalströme (10000 Banken gab es 2007 noch in der Stadt) und Informationsflüsse – in Washington laufen alle Computervernetzungen der Welt in sog. Scif-rooms (sensitive compartmentalized information facility) zusammen, wo sie von Spezialisten ausgewertet werden und einen gewaltigen Informationsvorsprung vor anderen garantierten.
The legions
Der weltumspannende Militärapparat beider Reiche verursacht gewaltige Kosten, die das Geld von innenpolitischen Notwendigkeiten abziehen.(62) Sowohl Amerika als auch Rom sucht des Problems fehlender Soldaten Herr zu werden, indem man das Heer mit Fremden auffüllt – im Falle der Römer mit Barbaren, sog. foederati. Die USA wirbt Kinder illegaler Einwanderer mit dem Versprechen des Bürgerrechts an (sog. Greencard-Soldaten) und setzt in Kriegen zunehmend auf Söldner aus Privatfirmen, ganz ähnlich den mercennarii milites Roms. Dies bleibe nicht ohne Folgen für Armee und Gesellschaft: Die US-Armee ist vorwiegend zu einer Armee der sozial Deklassierten geworden, hat große Disziplinprobleme, die durch das Aufeinanderprallen vieler Ethnien bedingt sind, dazu verfalle die Moral in der Truppe nicht zuletzt durch den Einsatz von Privatfirmen.(63) Murphy führt eine Parallele aus der Antike an. Der römische Militärschriftsteller Vegetius beklagt, dass die römischen Soldaten sich die Laxheit ihrer barbarischen Mitkämpfer zu eigen gemacht hätten, ohne Helm und Brustpanzer in die Schlacht zu gehen. Das in Amerika zunehmende Gefälle zwischen Militär und Zivilgesellschaft lasse befürchten, dass die Berufsarmee zu einem Staat im Staate werde – unberechenbar wie die römischen Bürgerkriegsheere.
The fixers
Hauptthema dieses Kapitels ist, wie öffentlicher Besitz zur Beute privatwirtschaftlicher Interessen wird. Für Rom beschreibt Murphy die Phänomene der Korruption (etwa den Kauf von Ämtern) und den Amtsmissbrauch von Magistraten zum eigenen Nutzen. Dieses Verhalten, in privatem Interesse Macht auszuüben, die einzig dem Staat zugestanden wird, habe wesentlich zum Untergang des römischen Reiches beigetragen. Für die USA stelle sich ein ähnliches Problem – durch die neoliberale Ideologie der Privatisierung öffentlicher Güter entstünde eine neofeudale Schicht, die aus ursprünglichen Staatsaufgaben auf Kosten der Allgemeinheit gewaltige Profite schlägt. Ein Beispiel dafür seien die überteuerten Rechnungen, die US-Firmen beim Wiederaufbau des Iraks an die Regierung stellten. Mögen Privatisierungsmaßnahmen kurzfristig auch sinnvoll sein, lassen sie die Regierung langfristig die Kontrolle verlieren und führten zu einer Refeudalisierung nach der Definition des belgischen Historikers Ganshof, der darunter versteht „eine Verteilung politischer Macht auf eine Hierarchie von Personen, die in ihrem eigenen Interesse Macht ausüben, die üblicherweise nur dem Staat zugestanden wird.“(64)
The Outsiders
Arroganz und Ignoranz der Großmacht sei für die USA wie für Rom Stolperstein. Als Beispiel führt Murphy zunächst die Schlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr. an. Unkenntnis der Gegend, Unterschätzung der Germanen und ein naives Gefühl eigener militärischer Überlegenheit hätten zum Debakel mit dem Verlust dreier Legionen und dem Tod von insgesamt 30000 Menschen geführt.
Ähnlich naiv seien die Amerikaner laut Murphy in den Vietnamkrieg geschlittert – als Beispiel für anmaßende Selbstüberschätzung zitiert er einen US-General, der sich über die Erfahrungen Frankreichs im Indochinakrieg leichtfertig hinwegsetzte: „The French had lost and, therefore, had nothing to teach us.“(65) Wie Rom mehrfach an militärischer Selbstüberschätzung gescheitert sei, im Falle der Niederlage gegen Hannibal bei Cannae 216 v. Chr. bzw. der Niederlage des Crassus gegen die Parther bei Carrhae 53 v. Chr., so drohe auch Amerika aus Niederlagen nicht zu lernen. Wie kommen nun beide Großmächte zu einer solch selbstgewissen und anmaßenden Haltung? Anders als die Griechen hätten die Römer kein ausgeprägtes ethnographisches Interesse entwickelt. Anstelle den Versuch zu unternehmen, im Interesse der eigenen Sicherheit andere Völker systematisch zu verstehen, behalfen sie sich mit Stereotypen und Klischees, die keine realistische Einschätzung der Lage zuließen. Amerika verfahre nicht wesentlich anders: Weder die Normalbevölkerung der USA verfüge über große geographische Ahnung vom Rest der Welt, noch besäßen traditionell die Geheimagenten, die im Ausland eingesetzt werden; Kenntnisse der Sprache, Geschichte und Kultur des Einsatzlandes.(66) Eine Folge dieser Ignoranz und Arroganz sei, dass nicht nur der radikale Islam, sondern auch frühere Verbündete Amerika zunehmend negativ sähen.(67)
The borders
Das Kapitel beginnt mit einer Reflexion über den Begriff der Grenze als politische, ökonomische, ethnische, kulturelle, religiöse Scheidelinie – und nicht zuletzt als Klassenschranke, deren sich die Römer bei ihren Grenzziehungen (Hadrianswall, Limes, Fossatum Africae in Algerien und Tunesien) bewusst waren – ganz ähnlich verführen die Amerikaner mit dem weiteren Ausbau der Grenzanlagen zu Mexiko.(68) Murphy macht unter der Überschrift Many borders, and none auf die Dialektik der Grenzziehung zwischen Imperium und Barbaricum aufmerksam. Einerseits grenze man sich ab, andererseits werden die ausgesperrten Gebiete von der imperialen Kultur durchdrungen: Wie die Provinzen der Antike einen Prozess der Romanisierung durchliefen, durchdringe die US-Kultur osmotisch alle Länder der Welt. Wie Rom sich jahrhundertelang als erfolgreiche Assimilationsmaschine bewährt habe, die Millionen von Barbaren integriert habe, ganz so müsse Amerika verfahren. Aus demographischen und ökonomischen Gründen sei die mexikanische Grenze nicht mehr haltbar. Murphy ruft die politische Klasse der USA dazu auf, an den eigenen Wahlspruch denken: E pluribus unum.
There once was a great city
Im Epilog des Buches listet Murphy auf, was Amerika unternehmen müsste, um dem Schicksal Roms zu entgehen. Diese Aufzählung liest sich als exaktes Gegenprogramm zur neokonservativ – neoliberal geprägten Politik unter der Präsidentschaft von George Bush jr. Murphy schließt sein Buch paradoxerweise in derselben Rhetorik der Exzeptionalität Amerikas, die er das gesamte Buch über als verhängnisvoll gegeißelt hatte: „Are we Rome? In important ways we just might be. In important ways we’re clearly making some of the same mistakes. But the antidote is everywhere. The antidote is being American.” Vom Standpunkt des Jahres 2009 aus und vor dem Hintergrund der Präsidentschaft Barack Obamas wird man Murphys Optimismus in bezug auf die Fähigkeit der USA zum Umsteuern teilen können.
2. Theoretiker des Imperium-Gedankens
a) Herfried Münkler: Die Logik der Weltherrschaft
Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler vergleicht in seinem Buch Imperien(69) historische Großmächte von der Antike bis in die Moderne und stellt dabei eine Gesetzmäßigkeit auf: Imperien mit einem reichen Zentrum und einer ausgebeuteten Peripherie waren stets nur von kurzer Dauer; lange dagegen hielten sich Imperien, wenn die Peripherie einbezogen und aus eigenem Interesse am Erhalt des Imperiums interessiert war. Als einen solchen Idealfall führt Münkler das augusteische Rom an, wobei er auf Michael Doyles Begriff der Augusteischen Schwelle rekurriert. Mit ihm wird der Übergang von der Expansions- zur Konsolidierungsphase eines Imperiums bezeichnet – diese Schwelle ist eine Art Nagelprobe für die Stabilität jeden Imperiums. Augustus gelang dies Kunststück durch ein Ensemble einschneidender Maßnahmen: Durch die Stärkung der römischen Landaristokratie, die Umwandlung der Provinzen in effektiv regierte Reichsteile und die allmähliche Ausweitung der Bürgerrechte band er die Peripherie enger an das Zentrum, reduzierte die Truppenstärke und damit die Steuerlast, schuf eine korruptionsresistente Verwaltungselite, führte ein transparentes Besteuerungssystem anstelle statthalterlicher Willkür ein und etablierte Sittengesetze, die auf politische Effekte wie Korruptionsresistenz abzielten. Zugleich gelang ihm ein Machtsortentausch weg von militärischer hin zu politischer, ökonomischer und v.a. ideologischer Macht. Die pax Romana wurde zur neuen Legitimitätsvorstellung des Imperiums. Münkler führt weitere typische Merkmale von Imperien auf: Neben dem Frieden als Rechtfertigung einer imperialen Ordnung benötigen Imperien eine Mission, einen Sendungsauftrag. Dieser sei zum einen an die eigenen Bewohner gerichtet, mehr aber noch als Autosuggestion der politischen Eliten zu verstehen, um das imperiale Projekt fortzuführen. Die Agenten dieser Mission seien im augusteischen Rom Maecenas und sein Dichterkreis, in der Sowjetunion marxistische Intellektuelle gewesen. „In den USA haben die neokonservativen Theoretiker und Publizisten die entsprechende Funktion übernommen.“(70) Konstitutiv für ein Imperium sei religiöse Überhöhung(71) sowie die Konstruktion von Barbaren, die dazu dienen, die imperialen Grenzen als Gemarkungen zwischen Kosmos und Chaos darstellen zu können. Jedem Imperium drohe die Gefahr der Überdehnung (imperial overstretch, Begriff von Paul Kennedy). Für ein modernes Imperium gelte dies nicht nicht in territorialer Hinsicht, wie dies für Rom der Fall war, sondern fiskalisch durch den Zwang zu technologischer Überlegenheit: Was der demokratischen, postheroischen Bevölkerung an Opferbereitschaft fehlt, muss durch teure Technik der Waffen ausgeglichen werden. In dem Kapitel Die USA: Das neue Imperium konstatiert Münkler, dass „sich eine kluge imperiale Politik von den Problemen der globalen Welt abwenden und sich gegen sie durch die Errichtung ‚imperialer Barbarengrenzen’ sichern (muss). Was jenseits von ihnen geschieht, interessiert das Imperium nur dann, wenn daraus eine Gefahr für seine Sicherheit erwachsen könnte.
Tatsächlich ist die Politik der Imperien langer Dauer, namentlich die des Chinesischen und des Römischen Reiches, weithin diesen Vorgaben gefolgt. Aber das ist im Zeitalter der Demokratie und der medialen Verdichtung der Räume kaum noch möglich. Die imperiale Mission der USA würde dadurch ständig dementiert, und ohne das moralische Sendungsbewusstsein, das aus ihr erwächst, würde das US-Empire viel von seiner Kraft verlieren. Zugespitzt formuliert: Es könnte sein, das das amerikanische Imperium nicht so ehr an seinen äußeren Feinden, sondern an der moralischen Überlastung durch seine Mission scheitert, weil diese die geforderte Indifferenz gegenüber der Außenwelt unmöglich macht.“(72)
b) Ralph Bollmann: Lob des Imperiums
Bollmann ist Leiter des Inlandressorts der Berliner Tageszeitung taz. Während Peter Bender sich in seiner vergleichenden Studie auf die republikanische Aufstiegsphase des Imperium Romanum konzentrierte, zieht Bollmann in seinem 2006 erschienenen Buch Lob des Imperiums(73) die Parallelen zwischen der Moderne und dem antiken Rom vor dem Zeithintergrund der spätantiken Reifephase des Imperiums, ohne als Prophet wirken zu wollen: „Dieses Buch gibt keine Antwort auf die Frage, in welcher Phase des römischen Verfallsprozesses sich der Westen gegenwärtig befindet und in wie vielen Jahren wir folglich den Untergang des Imperiums zu gewärtigen haben. Überhaupt sollen keine Prognosen über den künftigen Geschichtsverlauf aufgestellt und erst recht keine düsteren Szenarien eines kommenden Untergangs entworfen werden.“(74) Stattdessen will Bollmann „strukturelle Parallelen“ offenlegen. Dabei entspräche der moderne Westen (USA, Japan, Europäische Union, Schweiz, Israel) dem Imperium Romanum, gekennzeichnet durch politische Stabilität, wirtschaftliche Prosperität und hohe innere Mobilität. Dieser Wohlstandszone entgegengesetzt ist das Barbaricum, ein weniger wohlhabendes Draußen, gegen das sich das Imperium abschottet. Bollmann nennt als Beispiele die Grenze zwischen USA und Mexiko, die polnische Ostgrenze, den Limes. Er sieht eine ähnlich globalisierte Kultur damals wie heute. In der römischen Antike fand sich eine einheitliche Infrastruktur mit Wasserleitungen, Thermen, Theatern, Tempeln und Foren, die zu einem Zusammenwachsen der verschiedenen Gesellschaften geführt habe. Der heutige Westen sei eine Wohlstandszone mit einheitlichen Standards wie „äußerer und innerer Sicherheit, kompatiblen Wirtschafts- und Währungssystemen, einer gemeinsamen Vorstellung von den Grundstrukturen des politischen Systems.“(75), gleichförmigen Shopping malls, Fastfoodketten etc. Rom und der heutige Westen seien nicht die „besten aller Welten“, aber Friedens- und Wohlstandszonen, die ihren Bewohnern einen höheren Lebensstandard ermöglichten als frühere Epochen.(76) Trotz dieser Vorteile befänden sich paradoxerweise die Lobredner des Imperiums regelmäßig in der Minderzahl. Dabei mache der Untergang eines Imperiums am Ende alle zu Verlierern, wenn auch die Oberschichten am glimpflichsten davonkämen.
Als Lehren aus der Spätantike ruft Bollmann zu Offenheit und religiöser Toleranz im Umgang mit fremden Kulturen auf und unterstreicht die Wichtigkeit innerer und äußerer Sicherheit. Bollmann beendet sein Lob des Imperiums mit einem Zitat aus der Romrede des Rhetors Aelius Aristides, die dieser 155 n. Chr. zum Preis des Imperium Romanum in der ewigen Stadt gehalten hat: „Eine andere Art zu leben gibt es nicht.“
Der Historiker Alexander Demandt schrieb 1997 in seinem Buch Das Ende der Weltreiche(77): „Die Selbstauflösung der SU am 31.12.1991 schloß das imperiale Zeitalter ab. Seit dreitausend Jahren wurde die Weltpolitik durch Universalreiche bestimmt. Das ist nun vorbei.“ Ganz ähnlich hatte wenige Jahre vorher schon der US-Politologe Francis Fukuyama geurteilt, als er angesichts des Zusammenbruchs des Kommunismus sein berühmtes Diktum vom „Ende der Geschichte“ prägte(78)– indem der Liberalismus in Form von Demokratie und Marktwirtschaft gesiegt habe, gäbe es endgültig keine weltpolitischen Widersprüche mehr, in einer Hegelschen Synthese sei die Dialektik der Weltgeschichte zu ihrem Ende gekommen. Spätestens mit den Terroranschlägen vom 11.09.2001 wurde klar, dass keineswegs das Ende der Geschichte bevorstand, sondern im Gegenteil ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde. Nur exemplarisch können hier zwei in der Literatur skizzierte Szenarien für das 21. Jahrhundert angedeutet werden – die These einer Re-Imperialisierung durch Großmächte wie Russland, China und Indien, und die Gefahr einer neuen Blockbildung zwischen den politischen Konkurrenzsystemen Demokratie und Autokratie.
1. Aufziehende Re-Imperialisierung
Robert Kagan prophezeit in seinem jüngsten Buch mit dem Titel Die Demokratie und ihre Feinde. Wer gestaltet die neue Weltordnung? (79) die Rückkehr des Großmachtnationalismus, der geradewegs ins 19. Jahrhundert zurückführe: „Statt der neuen Weltordnung führen die widerstreitenden Interessen und Bestrebungen der Großmächte abermals zu den Allianzen, Gegenallianzen und kunstvollen Tänzen, wie sei einem Diplomaten des 19. Jhs. auf Anhieb vertraut wären.“(80) Dazu analysiert er einzelne Mächte wie Russland, China, Japan, Indien, Iran und die USA. Russlands Konzessionen an den Westen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 würden heute im Land als Demütigung interpretiert, die zu russischem Revanchismus führt. Russland erweitere in typisch imperialem Schema seine Ambitionen in konzentrischen Kreisen, gestützt auf die wirtschaftliche Macht von Öl und Erdgas. Europa habe sich gegenüber Russland naiv selbst in eine Konkurrenzsituation gebracht: Als liberales Imperium hat Europa die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten, die Ukraine und Georgien angezogen, sich damit aber auch das Ostproblem der Auseinandersetzung mit Russland eingehandelt. Mit seinem postmodernen außenpolitischen Werkzeug, v.a. der Diplomatie, sei Europa nicht gerüstet gegenüber einer traditionellen geopolitisch orientierten Macht wie Russland, die altmodisch-brutale, aber ungemein wirkungsvolle Mittel wie das Zudrehen des Öl- und Gashahns, die Unterbrechung des Bahnverkehrs oder den Einsatz des Militärs wie in Georgien einsetze. Da die Kräfte der USA im Nahen Osten absorbiert sind, werde gerade ein neues Zeitalter der Geopolitik eingeläutet. China gehe seinen eigenen imperialen Weg. Ein Jahrtausend war China die beherrschende Macht in Asien gewesen, erlebte aber zu Beginn des 19. Jhs. einen tiefen Sturz an den Rand einer auf Europa hin ausgerichteten Welt. Mit dem Rückgriff auf die glorreiche Kaiserzeit hoffen die Chinesen auf eine Wiederherstellung alter Größe – Schritte dazu waren der ständige Sitz im Sicherheitsrat der UN, die Teilnahme am G8-Gipfel und der Ausbau der Militär- wie der Wirtschaftsmacht. Indien sieht sich seit seinem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung als Großmacht. Seitdem zähle nicht mehr die Macht des Arguments, sondern das Argument der Macht. Indien ist überdies Atommacht. Auch der Iran hegt den Wunsch nach regionaler Vormachtstellung. Die iranische Atomrüstung war die logische Konsequenz aus den Erfahrungen des ersten Golfkrieges, als die USA wie bei einem Sonntagsspaziergang in den Irak einmarschierte – das sollte dem Iran nicht passieren. Amerika ist für den Iran der Große Satan – man empfindet das von der Garantiemacht Amerika in die muslimische Mitte hineingepflanzte Land Israel als ständige Demütigung.
2. Demokratie versus Autokratie
Nach Robert Kagan exerzierten Russland und China vor, dass freie Marktwirtschaft und politische Unterdrückung, also Wohlstand und Autokratie durchaus zusammengehen. Damit müsse die alte Gleichung, nach der die Marktwirtschaft automatisch demokratische Strukturen hervorbringe, als widerlegt gelten. Das aber bedeutet, dass die Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Autokratie, wie sie seit der Aufklärung geführt wird, in weltpolitischem Großmaßstab zurückkehre.
China und Russland verachteten die Schwächen des demokratischen Systems und seien wie die europäischen Monarchen des 17.-19. Jahrhunderts von ihrer Autokratie überzeugt. Beide Mächte haben die Mixtur aus Kapitalismus und Autokratie als globales Erfolgsmodell etabliert. Damit drohe der Westen nicht nur sein Monopol auf den Globalisierungsprozess zu verlieren, es drohe auch ein großes Schisma zwischen der Idee der Demokratie und der Autokratie – dies könne letztlich zu einer Blockbildung führen, wie sie aus dem Kalten Krieg vertraut ist. Zusätzlich werde die „ Achse der Demokraten“ durch den radikalen Islam bedroht. Der Amerikaner Kagan schlussfolgert, die USA seien weiterhin die unverzichtbare Nation: „In den meisten entscheidenden Weltregionen, in Ostasien, Europa und dem Nahen Osten, sind die USA nach wie vor der Schlussstein im Bogen. Wird er herausgenommen, stürzt der Bogen ein.“(81) Zögen sich die USA von der Weltbühne zurück, wäre Europa von Russland erpressbar. Letztlich ruft Kagan zu einem Konzert der Demokratien unter Amerikas Führung auf, denn über kurz oder lang werde China und Russland Legitimitätsprobleme gegenüber seinen eigenen Bevölkerungen bekommen – die Demokratie setze sich am Ende immer durch.
(1) Liv. 3, 26, 8ff. Dass die amerikanischen Gründerväter Cäsar, die in ihren Augen verdorbene Spätphase der römischen Republik und die Kaiser ablehnten, darüber unterrichtet J. Riecker, Das Geheimnis der Freiheit ist Mut. Antike Vorbilder in der amerikanischen Außenpolitik von Theodor Roosevelt bis Bill Clinton, Paderborn 2006, 22.
(2) Dieses Motto geht natürlich auf Verg. georg. 1, 145 f. labor omnia vicit/ improbus zurück.
(3) Vgl. dazu v.a. J. Riecker, op.cit.
(4) Zurückgehend auf Iuv. 10, 81 panem et circenses.
(5) Oder wie es Stefan Nehrkorn in einem Vortrag vor der Humboldt-Gesellschaft im Dezember 2002 formuliert hat: „Die „Lunte am Themenkomplex Amerika“ ist sehr kurz. Die „erhebende Freude“ an der schnellen Explosion erschwert genaueres Hinsehen.“
(6) Glen Bowersock, The Vanishing Paradigm of the Fall of Rome, in: Bulletin of the American Academy of Arts and Sciences 49.8, 1996, 31.
(7) Jose Ortega Y Gasset, Über das römische Imperium, Stuttgart 1964, 50.
(8) Diese Zusammenstellung verdankt sich zum Teil dem Artikel von Jonathan Freedland Rome A.D. –Washington D.C. aus dem Guardian vom 18.09.2002. Freedland fasst darin die Gemeinsamkeiten zwischen den USA und dem antiken Rom zusammen, wie sie englische Historiker für eine BBC-Dokumentation zusammengestellt haben.
(9) Hans Dieter Gelfert, Typisch amerikanisch, München 2002, 23: „Spätestens seit den 60er Jahren gilt die Utopie von einer dem Schmelztiegel entsteigenden homogenen Nation als gescheitert. Seitdem versuchen die Amerikaner ihr Glück in entgegengesetzter Richtung, indem sie die multikulturelle Gesellschaft als ihre neue Chance begreifen.“
(10) Mart. 5, 81.
(11) E. Todd, Weltmacht USA: Ein Nachruf. München 2003, 101. Hans-Dieter Gelfert verdeutlicht diese amerikanische Problematik auf anschauliche Weise, op. cit., 94: „Wenn Michael Jordan, der berühmteste Basketballspieler Amerikas und einer der höchstbezahlten Sportler der Welt, seine Jahreseinkünfte von 50 Millionen Dollar jahraus, jahrein zurücklegen würde, brauchte er 1620 Jahre, um so reich zu sein wie Bill Gates, dessen Aktienvermögen 1999 auf 81 Milliarden geschätzt wurde. Der Reichtum der amerikanischen Milliardäre ist so unvorstellbar groß, dass man sich fragt, wie viel vom Kuchen da noch für den Mann auf der Straße übrig bleibt. Auf ein Prozent der Bevölkerung entfallen 40% des gesamten Volksvermögens, während 19,1% unter der Armutsgrenze leben.“
(12) Vgl. etwa Sandra Focke, Politik-Marketing, Frankfurt a. Main 2007. Die Autorin weist für den deutschen Wahlkampf 2002 nach, dass vermehrt amerikanische Wahlkampfstrategien eingesetzt wurden, etwa Personalisierung bzw. das Phänomen, dass sich der Wahlkampf im Unterhaltungszeitalter auf die Logik der Unterhaltungsmedien einlässt.
(13) Die Zahlen stammen aus einem Artikel der Wiener Zeitung vom 21.01.2009. Vgl. James Laxer, Imperium, Hildesheim 2007, 65: „Die Vereinigten Staaten geben derzeit 500 Milliarden Dollar im Jahr für ihren Militärapparat aus; das ist soviel, wie die 16 nächstplazierten Länder zusammen dafür aufwenden. Das bedeutet im Grunde: Die Militärausgaben der USA sind beinahe so hoch wie die aller anderen Länder der Welt zusammengenommen.“
(14) Joseph Nye jr., Soft Power, in: Foreign Policy, 80 (1990), 153-170.
(15) Tac. Agr. 21.
(16) Die sog. Inschrift von Chichester (CIL VII 11) zeigt mit der Nennung des Beinamens Tiberius Claudius, dass Cogidumnus (Tac. Agr. 14, 2) das römische Bürgerrecht von Kaiser Nero oder Claudius erhalten hat.
(17) Tac. Agr. 14, 2.
(18) Jürgen Martschukat, Ein Kaiser gibt auf. Irans Schah Reza Pahlewi war einer der brutalsten Autokraten der Nachkriegszeit – und zugleich Amerikas treuester Vasall im Nahen Osten. In: ZEIT online 08.01.2004. http://nurtext.zeit.de/2004/03/A-ShahReza
(19) Vgl. Naomi Klein, Die Schockstrategie, Frankfurt 2007, 95ff.
(20) Instruktiv ist auch der Beitrag des Althistorikers Michael Sommer, der in der FAZ vom 29.03.2003 in einem Artikel mit der Überschrift Frühjahr 114, Krieg im Irak den fehlgeschlagenen Parther-Feldzug des Kaisers Trajan im Jahre 114 n.Chr. mit dem amerikanischen Irak-Krieg Frühjahr 2003 verglich und einen ähnlichen Ausgang nahelegte. Kaiser Trajan starb auf der Rückreise nach Rom, sein Nachfolger Hadrian gab die Eroberungen auf dem Gebiet des heutigen Irak wieder auf.
(21) Nicht zu unterschätzen ist dabei der Druck, den die USA unter der Bush-Administration ausübte. Stellvertretend eine mahnende Stimme aus dem antiamerikanischer Umtriebe gewiss nicht verdächtigen Managermagazin vom 27.05.2003, Kommentar von Johannes Reich: „Die USA geben den Takt vor. Militärisch, politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich, juristisch, kulturell, moralisch. Die normative Kraft des Faktischen, die Definitionshoheit der Macht, des fast unbegrenzten und offenbar kaum von Zweifeln angekränkelten Führungs- und Gerechtigkeitsanspruchs der Eliten der USA prägen auf zunehmend irritierende Weise das, was weltweit gedacht und gemacht wird, gedacht und gemacht werden muss, womit sich die Betroffenen – ob sie wollen oder nicht – oft teuer auseinandersetzen müssen. Man muss nicht ‹Schurkenstaat› sein, um dies zu erfahren. Und kostspielig kann es immer häufiger werden. So kostspielig, dass man von schweren wirtschaftlichen Schäden sprechen muss – direkt, unmittelbar, individuell.“
(22) Quelle: http://famguardian.org/Subjects/Politics/Articles/HailBush-020920.pdf
(23) Verg. Ecl. 4,5ff. Text nach der Oxford-Ausgabe von Hirtzel 1900.
(24) In Gänze nachzulesen auf der Internetseite des Weißen Hauses: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/20020911.html
(25) In Gänze nachzulesen auf der Internetseite des Weißen Hauses: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/20020911.html. Vgl. dazu auch Michael Lobe, Äneas in Amerika– Von der Aktualität des vergilischen Äneas-Mythos, in: Forum Classicum 1/2007.
(26) Werner Suerbaum, Vergils Aeneis, Stuttgart 1999, 322.
(27) Charles Krauthammer, The Bush doctrine, Time Magazin 25.02.2001: „America is no mere international citizen. It is the dominant power in the world, more dominant than any since Rome. Accordingly, America is in a position to reshape norms, alter expectations and create new realities. How? By unapologetic and implacable demonstrations of will.“
(28) Charles Krauthammer, Strike before Iran's nukes get hot, New York Daily News 23.07. 2004.
(29) Alexander Reichwein, Der amerikanische Neokonservatismus und seine Ursprünge, Ideen und Ziele.
http://www.zenaf.uni-frankfurt.de/downloads/ZAF/ZAF_1-2009.pdf, S. 18.
(30) Reichwein ebd. 30.
(31) Charles Krauthammer: „Säkularisten unterschätzen die Anziehungskraft des radikalen Islam. Der radikale Islam ist nicht nur ebenso fanatisch und unversöhnlich in seinem Antiamerikanismus, seiner Feindschaft gegen den Westen und seinem Antimodernismus wie alles andere, was wir bis jetzt kennengelernt haben. Er hat darüber hinaus den deutlichen Vorteil, in einer ehrwürdigen Religion mit über einer Milliarde Anhängern verankert zu sein, die nicht nur für einen raschen und kontinuierlichen Nachwuchs sorgt – ausgebildet und vorbereitet in Moscheen und Medresen, weitaus effektiver, autonomer und verbreiteter als jedes Hitler-Jugend oder Komsomolzenlager -, sondern ist auch in der Lage, von einer langen und tiefen Tradition der religiösen Begeisterung, messianischer Erwartung und einem Märtyrerkult zu profitieren. Hitler und Stalin mussten ihre Traditionen völlig neu erfinden. Der islamische Radikalismus segelt unter einer Flagge mit weit mehr historischer Tiefe und dauerhafter Anziehungskraft als die Ersatzreligionen des Hakenkreuzes und des Hammer-und-Sichel-Emblems.“ (Quelle: Francis Fukuyama, Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg, Berlin 2006, 79.)
Francis Fukuyama, amerikanischer Professor für internationale Politische Ökonomie und Urheber des berühmten Dictums vom „Ende der Geschichte“ fühlte sich lange der neokonservativen Richtung zugehörig, erklärte unter dem Eindruck der mannigfaltigen Fehler der Bush-Administration in oben zitiertem Buch auf S. 9 seinen Abschied von der neokonservativen Ideologie: „Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich den Neokonservatismus nicht länger unterstützen kann. Wie ich in diesem Buch zu zeigen versuche, beruhte der Neokonservatismus auf einem Ensemble zusammenhängender Prinzipien, die während des Kalten Krieges im Inland wie im Ausland weitgehend vernünftige politische Maßnahmen hervorgebracht hatten. Diese Prinzipien konnten allerdings auf ganz unterschiedliche Weise interpretiert werden, und in den neunziger Jahren wurden sie dazu benutzt, eine in hohem Maße militarisierte amerikanische Außenpolitik zu rechtfertigen, die quasi zwangsläufig in den Irakkrieg mündete.“
(32) Wie dies Magazin sich US-Politik vorstellt, beschreibt Gary Dorrien in seinem Artikel William Kristol and the Politics of American Empire (http://www.logosjournal.com/issue_3.2/dorrien.htm): Acht Tage vor dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11.09.2001 empfahl der Weekly Standard als Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt, die Bush-Administration solle Israel grünes Licht für einen vernichtenden Militärschlag gegen Palästina geben. Zitat: „The Israeli strike will have to be massive and overwhelming. (überwältigend) And it will have to be quick.” Man sah voraus, dass die arabischen Staaten über die UN Druck ausüben würden. Um dem Druck der Weltgemeinschaft zu umgehen, sollten die USA Israel eine Woche Zeit geben, um unumkehrbare militärische Fakten zu schaffen. („unrestrained destruction“)
(33) Quelle: http://www.columbia.edu/cu/news/clips/2004/10/07/scholarsbiblicalNEWSDAY.pdf
(34) Das Programm des PNAC: http://newamericancentury.org/RebuildingAmericasDefenses.pdf
(35) Auf deutsch erschienen als Robert Kagan, Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung, Berlin 2003.
(36) Prägnant in der Formulierung: Americans are from Mars and Europeans are from Venus: They agree on little and understand one another less and less.
(37) Verg. Aen. 2, 49.
(38) Rather than viewing the United States as a Gulliver tied down by Lilliputian threads, American leaders should realize that they are hardly constrained at all, that Europe is not really capable of constraining the United States.
(39) A. Reichwein, op. cit. 30. Ebd. folgendes Zitat des prominenten neokonservativen Vordenkers William Kristol: If there were to be no success in Iraq, neoconservatism would be discredited for a while. But I would still say that if Iraq went bad, that five or ten years from now, there would probably be a re-thinking. Look, Vietnam went bad, but Reagan still emerged and turned things around again.
(40) Jane Jacobs, Dark Age Ahead, New York 2004, 8.
(41) Blowback: The costs and consequences of the American Empire, New York 2000, Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie, München 2001. The Sorrows of Empire. Militarism, secrecy and the end of the Republic, New York Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie, München 2003. Nemesis: The Last Days of the American Republic, New York 2007.
(42) Chalmers Johnson, Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie, München 2003, 10.
(43) James Laxer, Imperium, Hildesheim 2007, 65.
(44) C. Johnson. Selbstmord, 26.
(45) Ebd. 168.
(46) Ebd. 174.
(47) Ebd. 181.
(48) Ebd. 205.
(49) Ebd. 427.
(50) Emmanuel Todd, Weltmacht USA. Ein Nachruf, München 2003, 170.
(51) Ebd. 86.
(52) Ebd. 99.
(53) Ebd. 101.
(54) Ebd. 155.
(55) Ebd. 155.
(56) Ebd. 253.
(57) Peter Scholl-Latour, Zwischen den Fronten, Berlin 2007, 183.
(58) Peter Bender, Weltmacht Amerika. Das Neue Rom, Stuttgart 2003.
(59) Peter Bender, op. cit. 216.
(60) Peter Bender, op. cit. 264.
(61) Cullen Murphy, Are we Rome? The fall of an empire and the fate of America, Boston-New York 2007.
(62) Vgl. den berühmten Ausspruch von US Präsident Eisenhower 1950: „Every gun that is made, every warship launched, every rocket fired, signifies in the final sense a theft from those who hunger and are not fed, those who are cold and not clothed.“
(63) Da die Söldner außerhalb der Militärgerichtsbarkeit agieren, also nicht durch die Armee diszipliniert werden, ihre Einkommens- und Lebensbedingungen am Einsatzort weit komfortabler als die der regulären Truppe sind, sie jederzeit die Möglichkeit zur Kündigung haben und überdies besser in militärische Geheimnisse eingeweiht werden, wirkt dies demoralisierend auf die Armee.
(64) Cullen Murphy, op. cit. 108.
(65) Cullen Murphy, op. cit. 142.
(66) Cullen Murphy op. cit. zitiert einen CIA-Offizier, 143: „At the Agency’s espionage training school at Camp Peary, instructors regularly told trainees that cultural distinctions did not matter, that an operation was an operation regardless of the target.”
(67) Cullen Murphy op. cit., 138 führt eine Liste üblicher Ressentiments gegen die USA auf: Amerikaner würden demnach in der Welt als unsensibel und vulgär, laut, unkultiviert, materialistisch, blind für die Bedürfnisse und Sichtweisen anderer gesehen und gingen in einer Mischung aus Brutalität, Naivität und unersättlicher Gier gegen ihre Gegner vor.
(68) Diese Grenzanlagen seien laut dem amerikanischen Stadtsoziologen Mike Davis (Zeit vom 12.10.2006) lediglich politische Kulissen, „für die Aufrechterhaltung des wählerwirksamen Bildes einer sicheren Grenze einerseits und die verlässliche Belieferung des Arbeitsmarktes mit rechtlosen Malochern andererseits“.
(69) Herfried Münkler, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005.
(70) Herfried Münkler, op. cit.,134.
(71) Münkler erinnert an die Kontinuität dieser Idee in den USA: Eisenhower sprach vor der Normandie - Invasion vom „Kreuzzug in Europa“, Reagan von der Sowjetunion als dem „Reich der Finsternis“ und George Bush von der „Achse des Bösen“.
(72) Münkler, op. cit.,235.
(73) Ralph Bollmann, Lob des Imperiums. Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens”, Berlin 2006.
(74) Bollmann, op. cit., 17.
(75) Bollmann, op. cit., 34.
(76) Vgl. Ulrich Menzel: Konkurrierende Weltordnungsmodelle in historischer Perspektive http://www.kas.de/wf/doc/kas_5065-544-1-30.pdf, S. 13. Menzel referiert die „Theorie der hegemonialen Stabilität“, nach der die Weltgeschichte „durch eine Abfolge von Hegemonialmächten geprägt (war), die weltweit oder zumindest in ihrer Region zu Lande und/oder zu Wasser für internationale Ordnung gesorgt haben. Dies taten sie durch die Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter. Die beiden wichtigsten dieser Güter sind Sicherheit im Sinne von Frieden und Stabilität im Sinne einer Garantie, dass die internationale Wirtschaft ungestört funktionieren kann. (...) Zu den internationalen öffentlichen Gütern im Bereich der Wirtschaft gehören etwa die Bereitstellung eines internationalen Zahlungsmittels, der Schutz der Freiheit der Meere oder die Etablierung eines Systems von Handelsverträgen. Alle anderen Länder, gleichviel ob sie Teil des Imperiums der Hegemonialmächte sind oder außerhalb ihres direkten Machtbereichs liegen, partizipieren daran mehr oder weniger kostenlos und sind deshalb auch bereit, die hegemoniale Ordnung zu akzeptieren.“
(77) Alexander Demandt, Das Ende der Weltreiche, München 1997, 223.
(78) Francis Fukuyama, The End of History and the Last Man, New York 1992.
(79) Robert Kagan, Die Demokratie und ihre Feinde. Wer gestaltet die neue Weltordnung?, Berlin 2008.
(80) Robert Kagan, op. cit., 17.
(81) Robert Kagan, op. cit., 104.