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Peter von Moellendorff, München

Aus alt mach neu: Die Neukonzeption des Magister-Nebenfach-Studienganges "Griechisch" an der Ludwig-Maximilians-Universität München

 

Das Studium der griechischen Philologie erfreut sich – zumindest an der Ludwig-Maximilians-Universität München – seit ungefähr zwei Jahren wieder größerer Beliebtheit unter den Studienanfängern. Gewiss: verglichen nur mit dem Fach Latein sind es the happy few oder besser: Oligoi tines makarioi, die eine Ausbildung in griechischer Philologie beginnen. Die Universität erwartet deshalb von den Griechischstudierenden besondere Einsatzbereitschaft und eine besonders enge Bindung an das Fach, und sie wird in dieser Erwartung nur selten enttäuscht. Solchen hochgesteckten Erwartungen muss aber natürlich eine entsprechende universitäre Innovationsbereitschaft gegenüberstehen. Es genügt keineswegs, sich zufrieden zurückzulehnen und herzwärmende Gedanken von der sich eben doch immer wieder durchsetzenden Qualität des guten Alten zu hegen. Der Bedarf an Griechischlehrern mag Schwankungen unterworfen sein, und selbstverständlich freuen sich die Fachvertreter gerade über wachsende Studierendenzahlen im LAG-Bereich: Doch man darf nicht die Augen vor der betrüblichen Realität verschließen, dass der Bedarf an Griechischlehrern sowohl im Vergleich zum Lateinischen als auch und erst recht im Vergleich zu den übrigen gymnasialen Fächern auch in der ferneren Zukunft insgesamt eher gering bleiben wird.

Diese Einsicht hat zwangsläufig Folgen für den Zuschnitt des universitären Ausbildungsangebotes. Die gravierenden finanziellen und personellen Einschnitte der letzten Jahre treffen auch die Institute und Seminare für Klassische Philologie in zunehmendem Maße. Zuweisungen werden immer stärker – und das letztlich auch nicht zu Unrecht – von der Zahl der ausgebildeten Studierenden abhängig gemacht. Es liegt daher im Interesse des Faches, allgemein wie in seiner institutionalisierten Form, möglichst viele Studierende zu gewinnen und dauerhaft an sich zu binden. Um die hierzu notwendigen Veränderungsprozesse erfolgreich in Gang zu bringen, muss allen Beteiligten folgendes klar sein. Ein Institut für Klassische Philologie ist, wie die gesamte Universität, einesteils eine Forschungseinrichtung, zum anderen, mindestens ebenso wichtigen Teil ein Dienstleistungsanbieter. Als solches steht es im Wettbewerb mit den Instituten anderer Universitäten und, ungleich schwieriger, mit anderen Fächern, denen daran gelegen ist, ihm seine Kunden, die Studierenden, abzuwerben. Dagegen helfen weder exquisite Forschungsleistungen, so bedeutend sie sind, noch Beharren auf althergebrachten und bislang bewährten Positionen. Erforderlich ist vielmehr eine Orientierung an der Nachfrage und die Ausarbeitung von Angeboten, die eine Steigerung der Nachfrage stimulieren könnten. Es sei ausdrücklich gesagt – weil es den Vertretern der hier geäußerten Ansicht oft genug entgegengehalten wird –, dass eine solche Umstrukturierung des fachlichen Angebotes nichts mit Abstrichen an der Qualität der Lehre zu tun hat. Griechisch made in Taiwan will niemand von uns! Gefragt ist vielmehr eine Diversifizierung des Angebots: nicht eine Lehre für alle, sondern ein in den jeweiligen Anforderungen und Lehrangeboten abgestuftes Ausbildungsprogramm, das jeden anspricht, der sich für die Materie interessiert, das auf allen Niveaus qualifizierte Abschlüsse anbietet und das den Wechsel von einem Niveau zum anderen durch interne Vernetzungen und eine rationalisierte zeitliche Strukturierung des Studiums ermöglicht.


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Solche Umorientierungen können nicht von heute auf morgen und nicht in von Beginn an vollständigem Umfang in Gang gebracht werden, zum einen aus administrativen Gründen, zum anderen deshalb, weil alle Veränderungen Experimentcharakter haben. Denn nirgends kann man auf Erfahrungswerte, wie sie sich nur aus längeren Laufzeiten ergeben werden, zurückgreifen, so dass jeder Versuch ein Risiko darstellt, allerdings eines, das man eingehen sollte: Kalos ho kindynos. Das Institut für Klassische Philologie der LMU hat den beschriebenen Prozess mit einer Neustrukturierung des von ihm angebotenen Magister-Nebenfach-Studienganges Griechische Philologie eingeleitet. Unsere Prämisse war dabei zunächst, am Ausbildungsgang für LAG nichts zu ändern. Die aus den schulischen Bedürfnissen resultierenden Anforderungen an die zukünftigen Lehrer, so die übereinstimmende Meinung, sind konstant, die besondere Schwerpunktsetzung in der sprachlichen Ausbildung ist weiterhin realitätsnah. Änderungen in diesem Bereich könnten zudem nur im Verein mit den anderen bayerischen Universitäten erfolgen und müssten daneben entsprechende Modifikationen im Prüfungswesen nach sich ziehen. Hier mit Innovationen anzusetzen wäre daher augenblicklich kaum erfolgversprechend und auch zum jetzigen Zeitpunkt wenig sinnvoll. Für den Magister-Hauptfach-Studiengang gelten diese Einwände zwar nicht; die vorhandene Struktur scheint aber zumindest vorläufig den Erwartungen von Lehrenden und Lernenden noch weitgehend zu entsprechen.

Hingegen waren Erneuerungsarbeiten am Magister-Nebenfach-Studiengang dringend erforderlich. Dessen Anforderungsprofil verdankte sich bislang ausschließlich Abstrichen an den entsprechenden Vorgaben für das Magister-Hauptfach-Studium. Die Anforderungen waren auf ein Minimum zurückgesetzt, ihre je spezifische inhaltliche Ausfüllung komplett dem Zufall überlassen. Bedenkt man, dass prinzipiell die Nebenfächer im Magisterstudium das Hauptfach sinnvoll ergänzen, seine Perspektiven erweitern und das dort zu erwerbende Wissen vertiefen sollen, dann wurde die Nebenfachausbildung im Fach Griechisch diesem Anspruch nicht gerecht. Dabei lässt sich ja eine neue und große Klientel gerade unter denjenigen Studierenden gewinnen, die nicht von vornherein schon eine besondere Affinität zum Griechischen besitzen, sondern die an dem Fach dann ein Interesse gewinnen könnten, wenn es ihnen eine attraktive Ergänzung ihrer eigentlichen Schwerpunkte verspricht. Hier ruht ein nicht kleines Potential an zukünftigen Studierenden oder doch wenigstens Sympathisanten - unser Angebot für sie ist der Einführungskurs in Sprache und Kultur der Griechen; s. u. -, dem wir uns bekannt und interessant machen müssen. Der Hauch des Exotischen, der das Griechische umweht, kann dabei mehr nützen als schaden.

Vor diesem Hintergrund setzt der neu konzipierte und im Wintersemester 1999/2000 inaugurierte Studiengang Griechische Philologie im Magister-Nebenfach zwei inhaltliche Schwerpunkte. Zum einen soll das notwendige Basiswissen erworben werden. Zum anderen sollen Anschlussflächen für die Inhalte anderer Fächer, etwa der modernen Literaturen, der Theaterwissenschaften, der Theologie, der Politikwissenschaften etc. geschaffen werden. Dies geschieht in erster Linie durch eine Vorlesungsstaffel im Grundstudium, die in viersemestrigem Turnus Einführungen in die folgenden Themenbereiche anbietet:

-  Einführung in die griechische Historiographie [Diese VL ist im WiSe 1999/2000 gehalten worden und   behandelte moderne historiographische Theoriebildung sowie die bedeutendsten griechischen historiographischen Texte von Homer bis Herodian]

- Einführung in die griechische Tragödie [Diese VL wurde im laufenden SoSe 2000 gehalten und behandelt Vorgeschichte, antike und neuzeitliche Rezeption, Aufführungskontext und -bedingungen, Musteranalysen ausgewählter Tragödien]


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- Einführung in die griechische Philosophie [geplant für WiSe 2000/2001]

- Einführung in das griechische Epos [geplant für SoSe 2001]

Diese Vorlesungen werden jeweils durch eine Übersetzungsübung ergänzt, die einen der in der Vorlesung behandelten Texte oder Autoren zum Thema hat [bspw. wurde im WiSe 1999/2000 eine Übersetzungsübung zu Xenophons Anabasis und wurde im SoSe 2000 eine Übersetzungsübung zu Sophokles’ Philoktet angeboten]. Semesterweise versetzt, um eine zu starke Spezialisierung im Grundstudium zu verhindern, werden aus den genannten vier Bereichen zusätzlich Proseminare angeboten, außerdem ein (obligatorisches) fünftes Proseminar zur Griechischen Lyrik.

Daneben werden selbstverständlich weiterhin Spezialvorlesungen und -seminare zu einzelnen Autoren und Werken sowie zu Themen angeboten, die nicht aus den genannten vier Bereichen stammen. Absolventen des hier vorgestellten Studienganges müssen im Grundstudium in vier Übersetzungsübungen sowie in zwei Proseminaren Scheine erwerben, um zur Hauptseminaraufnahmeprüfung zugelassen zu werden, die aus einer schriftlichen Übersetzung eines griechischen Textes ins Deutsche und der Beantwortung einiger kurzer, mit dem Text zusammenhängender Fragen besteht.

Im Hauptstudium wird eine weitere Vorlesungen zur Literatur der Kaiserzeit und Spätantike (wiederum flankiert durch eine entsprechende Übersetzungsübung) angeboten. Die Studierenden müssen im Verlauf des Hauptstudiums zwei Sprachkurse ‘Griechisch-Deutsche Übersetzung’ sowie ein (thematisch frei wählbares) Hauptseminar belegen. Bei der Anmeldung zur Magisterprüfung ist eine weitere Lehrveranstaltung aus den Fächern Lateinische Philologie, Klassische Archäologie, Alte Geschichte oder Byzantinistik nachzuweisen; wird eines dieser Fächer bereits in der gewählten Fächerkombination des Magisterstudienganges studiert, muss alternativ eine Lehrveranstaltung aus anderen altertumswissenschaftlichen Bereichen (bspw. Indogermanische Sprachwissenschaft, Geschichte der Medizin, Geschichte der Naturwissenschaften, Patristik etc.) gewählt werden. Das Institut bietet außerdem Veranstaltungen zur Rezeptionsgeschichte an: Auch in diesem Bereich muss mindestens ein Schein erworben werden.

Im Folgenden gebe ich zuerst ein Beispiel für einen Studienaufbau (1), dann eine tabellarische Übersicht über Studienangebot und -leistungen (2).

 

1.Beispiel eines Studienaufbaus

1. Sem.: VL Historiographie. Übersetzungsübung

2. Sem.: VL Tragödie. Übersetzungsübung. PS Homer

3. Sem.: VL Philosophie. Übersetzungsübung. PS Lyrik

4. Sem.: VL Epos. Übersetzungsübung

– Hauptseminaraufnahmeprüfung –

5. Sem.: VL Nachklassische Literatur. Übersetzungsübung.

6. Sem.: Mittelkurs/Oberkurs Griechisch–Deutsch. HS (fachspezifisch)


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7. Sem.: VL. 1 Lehrveranst. aus Lat. Phil., Arch., AG oder Byz. Fakultativ: HS (fachspez.)

8. Sem.: Veranstaltung zur Rezeptionsgeschichte. Oberkurs Griechisch–Deutsch

 

2.Tabellarische Übersicht zum Studium des Magister- Nebenfachs Griechische Philologie

1.-4. Fachsemester

Lehrveranstaltung

Zahl SWS Art der Lehrveranstaltung Pflicht (P) oder Wahlpflicht (Wp)
VL Einführung Historiographie 2 VL

P

VL Einführung Drama/Tragödie 2 VL P
VL Einführung Philosophie 2 VL P
VL Einführung Homer 2 VL P
Zwei Proseminare, davon eines "Lyrik" 4 PS P

Vier Übersetzungsübungen

8 L P

 

5.-8. Fachsemester

VL Nachklassische Literatur 2 VL P
Übersetzungsübung 2 L P
VL nach freier Wahl 2 VL Wp
Zwei Sprachkurse, davon ein Oberkurs Griechisch- Deutsch 4 SprGr-D P
Griechisches Hauptseminar 2 HS P
Veranstaltung Arch./AG/Byz./Lat. 2 Ü Wp
Veranstaltung zur Rezeptionsgeschichte 2 Ü/HS/VL P

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Mit der Fundamentierung des Studiums durch die vier- bzw. (das Hauptstudium inbegriffen) fünfstufige Vorlesungsreihe wird eine breite Wissensbasis in allen wichtigen Bereichen, Gattungen und in allen Epochen der antiken Literatur gewährleistet; schon in diesen Vorlesungen ergeben sich aufgrund ihrer weitflächigen Anlage oft genug Anknüpfungspunkte zu anderen Fächern. Solche Vernetzungen werden dann im weiteren Verlauf des Studiums durch die eingeforderten Veranstaltungen aus anderen Fächern sowie durch die obligatorische Lehrveranstaltung zur Rezeptionsgeschichte noch vermehrt. Gleichzeitig gewährleistet unser Angebot an Übersetzungsübungen sowie an Pro- und Hauptseminaren die notwendige Ausdifferenzierung und Vertiefung einzelner Bereiche.

Schließlich erhält aber auch die Sprachausbildung eine gewiss untergeordnete, aber doch nicht eigentlich nachrangige – und im Vergleich zur alten Studienordnung sogar leicht verstärkte – Position im Gesamtstudium. Eine Reduktion auf einsprachig deutsche Textarbeit ist nicht vorgesehen; die Fähigkeit, sich mit den Originaltexten der studierten Literatur zu befassen, halten wir im Rahmen eines solchen Studienganges für unverzichtbar. Das Ziel der Sprachausbildung ist es, die Studierenden zur eigenständigen Übersetzung leichter griechischer Texte sowie zur sinnvollen, weil kenntnisreichen und deshalb kritischen Verwendung zweisprachiger Ausgaben zu qualifizieren. Mehr sollte von Studierenden, die das Griechische nicht im Hauptfach betreiben, vernünftigerweise nicht verlangt werden.

Obwohl wir den Bereich der Sprachausbildung gegenüber dem alten Studiengang ein größeres Gewicht gegeben haben, setzen wir verstärkt auf Studierende, die zu Beginn des Studiums wenig oder keine sprachlichen Vorkenntnisse mitbringen. Um auch sie mit unserem Angebot zu erreichen, beginnt ab dem Wintersemester 2000/2001 eine jeweils zweisemestrige Kursreihe mit dem Titel ‘Einführungskurs in die griechische Sprache und Kultur’. In wöchentlichen Kursen à 3 Stunden bekommen hier Studierende, die sich für die griechische Sprache und die griechische Kultur interessieren, ein Wissensfundament vermittelt.

Der Kurs, der mit einer Teilnahmebestätigung abschließt, stellt ein Angebot an alle Studierenden der LMU dar. Sein Besuch kann Studierenden, die sich daneben oder danach für das Magister-Nebenfach Griechisch entscheiden, als Äquivalent für eine vorlesungsbegleitende Übersetzungsübung angerechnet werden; auf diese Weise wird der ‘Zeitverlust’ durch den Besuch der propädeutischen Veranstaltungen so niedrig wie möglich gehalten. Der Abschluss des Einführungskurses ersetzt allerdings nicht das Graecum und führt auch nicht bis auf Graecumsniveau. Für diejenigen, die der Kursbesuch dazu animiert, auch das Graecum erwerben zu wollen, wird jeweils im Anschluss an Kurs II in den Semesterferien ein mehrwöchiger ‘Crash-Kurs’ angeboten, der die Wissenslücken insbesondere im sprachlichen Bereich ergänzt, so dass im Anschluss an den Kurs die Graecumsprüfung in Angriff genommen werden kann. Auch diese Neuerung gegenüber dem alten, dreisemestrigen Modell der Graecumskurse soll interessierten Studierenden eine Zeitersparnis bringen.

Wir meinen, dass der erneuerte und erweiterte Studiengang Magister-Nebenfach Griechisch für alle, die sich für die Antike interessieren, ein anregendes und instruktives Angebot bedeutet. Ich habe oben gesagt, dass alle derartigen Vorstöße sich noch im Experimentierstadium befinden. Entsprechend sind wir für Nachfragen, Kritik und weiterführende Vorschläge sehr dankbar, die ich Sie an die unten angegebene e-mail-Adresse zu schicken bitte. Mindestens ebenso sehr sind wir auf Werbung angewiesen. Im Verlauf des Wintersemesters wird eine Werbebroschüre erscheinen, die an den bayerischen Schulen verteilt werden soll. Wenn Sie ihre Schüler auf unser Angebot aufmerksam machen und sie dazu animieren, doch einmal einen Versuch zu wagen, so erweisen Sie uns und dem Griechischen damit einen großen Dienst!

Priv.-Doz. Dr. Peter v. Möllendorff             moellendorff@klassphil.uni-muenchen.de

Institut für Klassische Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München